Dot
Dot
Im Gedankenkäfig
Gefangen in einem Gedankenkäfig, eingeschlossen im Labyrinth der Enttäuschungen, Hoffnungen, Halbwahrheiten, Wünsche, Sehnsüchte, Begierden und Verletzungen: so können sich ein Mann und eine Frau im Laufe ihrer Beziehung vorkommen. Eine Befreiung wäre möglich, doch zu sehr verlangt die Vergangenheit nach Aufarbeitung, als dass er genutzt werden könnte.
Das Theater Dot aus Istanbul baute für diese Konstellation in „A Play for Two“ einen Stahlkäfig um die 26 Zuschauerplätze in der Mitte herum. Die beiden Darsteller kletterten, wanden und schoben sich mühsam und schweißtreibend durch das enge Stangengewirr, das eine geniale Metapher für ihre verzwickte Gefühlslage war. Nie berühren sie dabei den Boden der Tatsachen oder nutzen die offenen Seitenwände zum Aussteigen. Körperliche Nähe lassen sie, während sie von früheren Umarmungen oder Küssen sprechen, zu keinem Zeitpunkt zu.
In Ein-Wort-Sätzen nähern sich sie zunächst vorsichtig ihrer Vergangenheit an, um sich bei schmerzlichen Erinnerungen die Satzbrocken in einem Stakkato um die Ohren zu schleudern.
Zum Schluss der gut einstündigen Aufführung ist ihnen klar geworden: Ihre Beziehung wird keinen zweiten Aufguss erleben. Die Frau überwindet die letzte Ecke des quadratischen Käfigs und der Mann bleibt zurück. Auch beim Schlussapplaus des Publikums im Rangfoyer des Schauspielhauses verharren sie in ihren Positionen. Ein Ausstieg aus dem großen System des gesellschaftlichen Lebens ist nicht vorgesehen, wenn sie sich ab jetzt auch unabhängig voneinander unterschiedliche Lebensräume erschließen werden.
Birgit Schmalmack vom 10.9.07
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