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Die Möwe

Die Möwe
Mikrokosmos
Konstantin (Tim Ehlert), der Sohn einer berühmten Schauspielerin, hat ein Theaterstück geschrieben. Heute Abend soll es zur Aufführung kommen. Auf der Open-Air-Bühne neben dem idyllischen See haben sich die Premierengäste versammelt. Unten ihnen befinden sich neben Kostjas Mutter, der kapriziösen Arkadina (Vera Seemann) mit Diva-Allüren, auch ihr derzeitiger Geliebter, der nicht mehr ganz so junge und doch als Jung-Schriftsteller gefeierte Trigorin (Bernd Grawert). Kostja will neue Formen ausprobieren und ruft damit den Protest aller derjenigen hervor, die in den alten Formen erfolgreich gewesen sind. An erster Stelle den seiner Mutter. Enttäuscht und wütend unterbricht Kostja die Vorstellung und beendet den mystischen Endzeit-Monolog seiner Darstellerin Nina. Der ersten Enttäuschung über seine missglückte Uraufführung folgt die zweite: Nina, in die Kostja verliebt ist, ist von dem Erfolg der Etablierten so angezogen, dass sie ihre Gunst auf Trigorin verlagert. Die flatterhafte „Möwe“ Nina fliegt zum nächsten, aussichtsreicheren Mann, für den sie aber nur ein süßer Flirt am Rande bleiben wird. Dieser ist schnell beendet, hinterlässt aber dauerhafte Spuren bei der jungen Frau.
Tschechow hat in seiner „Möwe“ zehn vom Leben gezeichnete Menschen versammelt, die durch ihre jeweiligen Einzelentscheidungen den Lauf der Entwicklung der Anderen bestimmen. In diesem Mikrokosmos zeigt er exemplarisch, wie das Gesamtsystem des menschlichen Miteinanders in sich vernetzt ist.
Regisseurin Tina Engel wagt es, im Ernst-Deutsch-Theater auf einen abstrakten Bühnenraum (Peter Schneider) zu setzen, der den Figuren die volle Aufmerksamkeit zukommen lässt. Keine naturalistische Dekoration lenkte von ihren Wünschen, Enttäuschungen, Gefühlen und Beweggründen ab. Das verlangte dem Publikum ein hohes Maß an Konzentration und den Schauspielern eine hohe darstellerische Präsenz ab. Bernd Grawert, Tim Ehlert und Thomas Kügel überzeugten in ihrem differenzierten Spiel besonders, während die zwei weiblichen Hauptrollen in ihrer Anlage flacher und eindimensionaler wirkten. Dennoch ein höchst interessanter Abend, der mit seinem hohen Anspruch einen viel versprechenden Auftakt der neuen Spielzeit darstellte.
Birgit Schmalmack vom 15.9.07

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