Dem Fluss zuhören

Altamira 2042, Kampnagel Foto: Nereu Jr



Ganz nahe dürfen sieben Zuschauerinnen dem Fluss kommen. Direkt neben einem LED-Lautsprecher nehmen sie auf dem Boden Platz und sitzen mitten in seinem Gluckern, Plätschern und Rauschen. Langsam baut sich die Sinfonie des brasilianischen Flusses Rio Xingu auf. Zehn Minuten lauscht man ihm und dem, was er zu erzählen hat. Denn seine Existenz ist gefährdet. Seit der Bau eines Staudammes für das Belo-Monte-Wasserkraftwerk beschlossene Sache ist, werden Erzählungen von Baulärm, von Kreissägen und von Bulldozern übertönt. Nach und nach kommen aus den Boxen nur noch Stimmen der Zerstörung. Doch es gibt Widerstand. Menschen sind zu hören und zu sehen, die dem Fluss zu seiner einstigen Größe wieder verhelfen wollen und aufstehen, um dafür zu kämpfen. Mit Bildern, Videos und Stimmen kommen sie zu Wort. Die Künstlerin Gabriela Carneiro da Cunha schnallt sich dazu zwei Lautsprecher auf den Kopf und lässt die Aktivistinnen sprechen. Sie berichten von ihrer mythologischen Verbindung zu der Natur und insbesondere zu Xing, der durch BM zum Schweigen bringen soll. Die Performerin zieht dafür ihren Bodysuit aus und vollführt mit ihrem nackten Körper die bedeutungsvollen Rituale, die sie bei ihren Treffen mit den Kämpferinnen miterleben konnte. Sie wirft die Bilder auf die Wände und lässt die Aufzeichnungen der Tondokumente über die Lautsprecher erschallen. So komponiert sie mit Text, Film, Bild und Bewegung einem eindringlichen Aufruf für den Erhalt der Natur. Zum Schluss werden die Zuschauer:innen selbst zu Mitstreiterinnen. Jede:r bekommt ein Instrument für den lautstarken Widerstand gegen die Mauer in die Hand, um sie zum Einstürzen zu bringen. Einige versuchen sogar mit Hammer und Pickel die Steine in einer Metallschüssel zu zertrümmern. Wenn selbst die Berliner Mauer gefallen ist, kann auch BM in Brasilien zum Einsturz gebracht werden! Zum Schluss sieht Man tatsächlich auch der Videoleinwand die Mauer einstürzen und die Wassermassen in das ursprüngliche Bett herabrauschen.
Birgit Schmalmack vom 25.8.21