Kontraste: Der Mann in der Badewanne

Der Mann in der Badewanne



Ist die Welt noch zu retten?

Das ist das Thema der Talkshow mit den drei Gästen. Die Welt stehe am Höllenschlund. Sie brauche Figuren, die sie zu Helden machen könne, um sich von ihnen retten zu lassen. So ist die These des Autors. Die Philosophin dagegen ist der Überzeugung, dass der Mensch die Auswirkungen der gesellschaftlichen Katastrophen erst am eigenen Leibe spüren müsse, da er sich sonst in seiner gemütlichen Höhle des Alltags zurückziehen würde. Der Politiker wartet derweil schlafend auf seinen großen Auftritt, um sich später als liebenden Retter aller aufspielen zu können.

Eine Beispielgeschichte hat der Autor für seine These mitgebracht: Ein Mann (Philipp Weggler) verliert gleichzeitig Arbeit, Freundin und seinen Appetit. Seine Umwelt – gierig nach aufregenden Heldengeschichten – interpretiert dies sogleich als Hungerstreik für die soziale Gerechtigkeit. Die Medien stilisieren ihn zu einem Helden, seine Mutter (Sandra Maria Schöner) und seine Ex-Freundin (Birga Ipsen) sonnen sich in seiner Popularität und der Politiker nutzt ihn für seine groß inszenierte Rettungsaktion.

Doch dieser Mann taugt nicht als ein Held. Er steht eher als Beleg für die Vermutung der Philosophin, dass der Mensch sich gerne in die Gemütlichkeit rettet, egal wie misslich seine Situation objektiv betrachtet auch ist. Er ist ein armes Würstchen, das sich gerne stillschweigend in seine Badewanne zurückziehen, niemandem zur Last fallen und an ein gutes Ende glauben möchte. Wie er in seiner rollenden Zinkwanne von allen herumgeschubst und für ihre Zwecke missbraucht wird, zeigt Regisseurin Ayla Yeginer in ihrer klugen, temporeichen Inszenierung des Textes von Lukas Linder.

Die fünf tollen Schauspieler (mit Richard Zapf, Herbert Schöberl) schlüpfen in alle Rollen des Stückes. So wird die Geschichte zu einem frechen Gleichnis über unsere heutige heldenarme Gesellschaft, die aus Mangel an Idealen sich ihre Idole durch Medienhypes selbst erschafft. Die angebliche Freiheit des Willens wird entlarvt als überall präsente Manipulation der Gedanken – nicht mehr durch Verlautbarungen eines Führers sondern durch die vermeintliche Meinungsvielfalt der Masse, die die neuen und alten Medien vorgaukeln. Ein Stück im Winterhuder Fährhaus in der Reihe Kontraste, das man sich nicht entgehen lassen sollte.

Birgit Schmalmack vom 13.9.14



Zur Kritik von

Abendblatt 
godot-hamburg 
 


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