Ein treuer Hundeblick
Eine gerade Markierunggeht quer über die Bühne. Sie ist eine Linie, die die Beziehungen der vier Personen definiert: zwei Frauen, zwei Männer, vier mögliche Liebeskombinationen. Richard (Stephan Bissmeier) und Bertha (Sylvana Krappatsch) sind zurückgekehrt. Sie treffen Robert (Kristof Van Boven) und Beatrice (Marie Jung) wieder. Richard unterhielt all die Jahre des Exils engen Briefkontakt zu Beatrice, die lange Zeit mit Robert liiert war. Robert ist in Bertha verliebt. Ein Austarieren der gegenseitigen Spielräume beginnt. Richard ist ein Mann, der behauptet, dass die Liebe Freiheit braucht. Er könne Bertha nicht freigeben, denn er würde sie nicht besitzen. Eine Mischung aus Angst vor Verlust, Langeweile und Lust auf Abwechselung treibt ihn in diese Haltung. Dennoch stellt er Robert zur Rede, nachdem ihm Bertha dessen Avancen gebeichtet hat, weil sie ein Zeichen der Eifersucht ersehnte, das sie als Liebesbeweis angesehen hätte. Doch das bleibt Richard ihr selbstverständlich schuldig. Er gibt ihr die Freiheit, auf die sie so gerne verzichtet hätte. Robert ist dick geworden, für Bertha ist er eindeutig zweite Wahl, auch wenn er nur den Dicken spielt, wie er am Ende beweist, als er sich seines Polsterpanzers auf der Bühne entledigt. Überall würde sie Richard hin folgen, wenn er sie nur bitten würde, das zeigt ihr Blick. Doch er schielt lieber zu der unabhängigen Beatrice, die sich ebenso unberührbar ihm gegenüber zeigt wie er seiner Frau gegenüber. Wie viel Freiheit braucht die Liebe? Wie groß muss das Vertrauen sein? Wie entkommt man der Einengung oder der Eintönigkeit? Zwischen diesen Koordinaten baut sich das Spannungsfeld zwischen den Geschlechtern auf. James Joyce versucht in seinem einzigen Drama die Verstrickungen zwischen vier Liebenden mit ihre wechselseitigen Abhängigkeiten, Sehnsüchte, Haltungen und Enttäuschungen aufzuzeigen. Luk Perceval bleibt dabei nicht stehen, sondern spitzt die Charaktere noch weiter zu. Beatrice ist geheimnisvolle Schöne, die wenig spricht und so die ideale Projektionsfläche bleibt. Bertha ist die hingebungsvoll Liebende, die Liebe mit Treue und Ergebenheit verbinden will. Richard igibt den unnahbaren Unabhängigen, der jeder dauerhaften Verpflichtungen entgehen will. Robert würde sich gerne mit einer schönen Frau wie Bertha aufwerten, weiß er doch um seine körperliche Unzulänglichkeiten und macht sich darum gerne auch kleiner als die Angebetete. Luk Perceval legt ihre Persönlichkeiten auf fast leerer Bühne bloß. Da kreischt und kichert wiehert Bertha minutenlang, da trampelt Robert auf dem Boden und windet sich auf dem Boden. Sie entblößen ihre Gefühle, während Richard und Beatrice nur leicht tänzeln oder graziös schreiten. Der Cellospieler auf der Bühne gibt den entlarvenden nötigen Drive mit kratzenden, treibenden und untermalenden Akzenten. Birgit Schmalmack vom 15.12.15
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