In Ongenade

Schande



In Ungnade gefallen

David hat sich zu verantworten. Der Professor der Universität Kapstadt hat sich in eine Affäre mit einer Studentin gestürzt. Er verliert sein Amt und zieht zu seiner Tochter auf ihre Farm. Dort muss er miterleben, wie seine Tochter im Zuge eines Überfalles durch Schwarze vergewaltigt wird.
J.M. Coetzee hat einen großen Roman über Scham, Schuld, Rache, Vergebung und Vergangenheit geschrieben, für den er den Booker-Preis erhielt. Angesiedelt in einem Südafrika der Postapartheid stellt er zugleich nach einem möglichen Ausgleich zwischen Weiß und Schwarz zur Diskussion. Wenn eine niederländische Theatertruppe diesen Stoff unter der Regie des Belgiers Luk Perceval inszeniert, wird er zudem in den Rahmen der kolonialen Aufarbeitung gestellt. Die schwarzen Darsteller sprechen auf der Bühne ein Afrikaans, das auf Niederländer heute zwar fremd wirkt, aber dennoch verständlich ist.
David (Gijs Scholten van Aschat) will seiner verfahrenen Situation mit Vernunft, Bildung, Kultur und Rechtsstaatlichkeit begegnen. Doch er muss erkennen, dass ihm diese Begriffe auf der Farm seiner Tochter nicht weiterhelfen. Im Gegensatz zu Lucy (Janni Goslinga) ist er aber nicht bereit, sich auf die Regeln, die auf dem Land gelten, einzulassen. Am Ende steht er wie seine Tochter vor dem Nichts. Doch im Unterschied zu ihm vermag Lucy genau darin die Chance zu einem Neubeginn erkennen. Sie akzeptiert die Beschneidung ihrer individuellen Rechte, um ein Teil der Dorfgemeinschaft sein zu können: eine deutliche Abnabelung von den Lebensgrundsätzen ihres Vaters.
Perceval gelingt eine subtile, sensible Umsetzung des Romans auf der Bühne. Die achtzig schwarzen Schaufensterpuppen symbolisieren die Gemeinschaft der Schwarzen, unter denen die Weißen immer die zahlenmäßige Minderheit darstellen. Statisch mutet das Bühnenbild an. Perceval begegnet diesem inszenatorischen Problem geschickt mit ebenfalls zruückhaltend agierenden Schauspielern, die fast unbemerkt aus der Menge heraus auftreten. Ein Theaterabend, der mit wenigen Mitteln eine unglaubliche Wirkung erzielte und der deshalb so spannend war, weil er die Fragen nach Gut und Böse gekonnt in der Schwebe hielt.
Birgit Schmalmack vom 30.1.12



Zur Kritik von

Abendblatt 
 
 


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