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| Körber Studio Junge Regie, Thalia |
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Die Unerhörte, Baden-Württemberg
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Die Jury hörte, sah und verstand
Nicht gehört werden, unerhört sein und Unerhörtes tun. Mit Tabus brechen, um Aufmerksamkeit ringen, auf einen Anruf warten, auf ein Abheben hoffen. Und doch unbeachtet und unverstanden bleiben. Das geschieht nicht nur Kassandra. Unerhörtes wagt gleich die erste Szene der Siegerinszenierung des diesjähriges Körber-Studio Junge Regie von Anna-Elisabeth Frick von der Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg: Eine blondmähnige Frau auf Highheels, barbusig unter dem offenen Mantel, bietet sich an. "Keiner will mich vergewaltigen!", klagt sie, während sie sich auf den Schoß eines Mannes in der ersten Reihe setzt. Ernstes Ringen um Verständnis wechselt mit Provokation, witzige Effekthascherei mit hilfloser Sehnsucht nach Aufmerksamkeit, Gier nach Applaus mit moralischen Aufrufen. Als einer der vier Kassandras erneut hinter den Papierbahnen hervortritt, die auf der Bühne ein scheinbar privates Hinten von einem öffentlich wirkenden Vorne trennen, hat er eine ernste Botschaft: "Afrika kommt! In zehn Jahren werden wir erkennen, dass neun von zehn bereit sein werden, ihren hier erreichten Bestand auch mit Waffengewalt zu verteidigen." Nahtlos ist der Übergang zu dem nun folgenden "Kassandra"-Text von Aischylos. Die Vier werden zu einem ständig miteinander ringenden Chor, der stets einem aus seiner Mitte ausstößt und zu Außenseiterin Kassandra werden lässt. Schnell versucht diese sich bei nächsten Gelegenheit wieder in die Geborgenheit der Menge zu retten. Doch das Erkannte, das Gesehene, das Erahnte will gesagt werden und schon bringt es sie wieder in die ungewollte und unangenehme Position der Fremdwirkenden. Das immer währende Ringen um die Stellung in der Gruppe bringt eine Spannung in den textgewaltigen Diskurs zwischen Chor und Kassandra, die bis zum Schluss, der nur mit dem Tod enden kann, gefangen hält. Doch das letzte Wort hat Christa Wolf. Aus ihrem Kassandra-Buch läuft ohne einen Laut ein Zitat über die Rückwand, das klarstellt, dass zuerst die Worte sterben und dann die Bilder. Damit ist auch klar, was jetzt folgen muss: ein starkes Bild. Das liefert die Inszenierung: Als weiße Karnevalengel verkleidet entschwinden die Vier in den Bilderhimmel des Theaters. Ein starker Abend, der souverän mit den Theatermittel agierte, sich mit scheinbarer Leichtigkeit die Aufmerksamkeit des Publikum erspielte und sich so den intensiven Raum zur Auseinandersetzung mit dem Text erschuf. Das dies der Jungregisseurin gelang, lang auch an den tollen Schauspielern, etwa dem erfahrenen Matthias Breitenbach und dem jungen Ausnahme-Talent Anna Gesa-Raija Lappe. Birgit Schmalmack vom 14.6.16
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Antigone, Zürich
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Die Beeinflussbarkeit der Masse
In unsicheren Zeiten wünscht sich der Bürger klare Orientierung. Gerade wenn die Zukunft ungewiss scheint, braucht eine Gesellschaft deutliche Regeln, für deren Einhaltung sich die Regierungsvertreter einsetzen müssen. Kreon glaubt fest an diesen Auftrag seines Volkes. Also setzt er sein Bestattungsverbots für den Bruder Antigones gnadenlos durch. Als die Schwester sich dagegen auflehnt, verhängt er die Todesstrafe, auch wenn er damit die Braut seines Sohnes zum Tode verurteilt. Kreon darf sich der Unterstützung seiner Untertanen gewiss sein. In plumpen Bauernkleidern stapfen sie um das Geviert, das mit Balken auf den Boden gezeichnet ist. Sie können in alle Rollen schlüpfen. Setzen sie sich die Lorbeerkrone auf, werden sie selbst zum König, streifen sie sich die Kapuze über, sind sie der Bote. Wird ihr eines Bein steif, mutieren sie zu Haimon. Nehmen sie das Mikro in die Hand, sprechen sie mit den Worten Antigones. Stellen sie sich aber alle zusammen auf, so vertreten sie als Chor die Bürgergesellschaft Thebens. Doch die Meinung des Volkes ist eine ebenso schwankende Masse wie die Bürger selber. Sehr leicht verführbar von einem Führer, den Umständen, den Medien und dem Gegendruck. Regisseur Franz-Xaver Mayr von der Zürcher Hochschule der Künste nimmt den Text von Sophokles sehr ernst. Was als sprachliches Chorexperiment beginnt, das die Geduld der Zuhörer zum Teil arg strapaziert, wird im Laufe der Inszenierung zu einem Versuch über die Beeinflussbarkeit von Volkes Stimme. Immer wieder mischen sich fast unmerklich unter den alten Text Brocken aus heutigem Medien- und Politikersprech. Das hat zwar Längen, ist aber in seiner Konsequenz beeindruckend. Birgit Schmalmack vom 13.6.16
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Ein weiteres Beispiel für die Durchlässigkeit...,
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Noch eine weitere Geschichte!
Sie würden so gerne im Rampenlicht stehen, doch sie trauen sich noch nicht. Zögerlich wagen sie immer wieder einen Schritt auf die Bühne zu und drehen kurz vorher wieder um. Minutenlang geht das so, bis einer von ihnen den Sprung wagt und die anderen nachziehen. In Glitzerkostüme haben sie sich geworfen. Die hochhackigen Klotzschuhe sollen ihnen Größe verleihen, die sie so gerne hätten. Alleine wagen sie nicht zu reden. Wenn dann nur im Chor, am besten alle durcheinander und gleichzeitig. Doch ihre Geschichten, die sie zum besten zu geben haben, buhlen um Aufmerksamkeit. Ein Vater, der mit seinem Schwanz vor seinem kleinen Sohn herumwedelt, ein fast Dreizehnjähriger in seiner Albtraumphase der Pubertät, eine Schauspielerin, die wegen ihrer Wurstwerbung zu David Lettermann eingeladen wird. Niemand ist so, wie er scheint. Und dennoch geht alles um diesen Schein, unter dem man auftritt. Denn der Bühnenkasten, der über der Auftrittsplattform hängt, bestimmt auch klar den schmalen Entfaltungsraum. Er kann sich bis auf einem Spalt senken und alle einschließen. Jungregisseur Henri Hüster ist ein Meister der Verlangsamung und der Beschleunigung. Das beweist er mit seiner Abschlussinszenierung der Theaterakademie. Mit Geschichten von David Foster Wallace lässt er seine zehn Schauspieler ihre Selbstdarstellung erproben. „Liebst du mich?“, fragen sie sich immer wieder, um gleich darauf abzuwinken. „Klar, liebst du mich, brauchst du nicht zu sagen.“ Doch sie stecken in einer Wiederholungsschleife fest, denn sie brauchen die Anerkennung des Gegenübers zum Überleben. Gefühlte 15 Minuten führen sie sich gegenseitig ihre „spitzen Hüftknochen“ vor, um zu beweisen, wie gut sie ins derzeitige Schönheitsideal passen. Absurditäten der Selbstvergewisserung werden hier feilgeboten, zelebriert und ausgestellt. Hüsters Gruppenarrangements sind überaus gekonnt, aber die Intention der Inszenierung ist bald durchschaut und steckt danach wie seine Darsteller in der Wiederholungsschleife der Variationen fest.
Birgit Schmalmack vom 13.6.16
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Pony Camp: Troilus & Cressida, München
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Enjoy the war!
Wummernde Beats begrüßen den Zuschauer. Zu Technomusik hotten drei Männer als Schattenrisse in einem Zelt ab. Heineken Bierkästen stehen zu Türme aufgestellt davor. Enjoy the war! ist das Motto, wie der englischsprachige Erzähler, der das Publikum begrüßt, erklärt. Die Soldaten haben sich anscheinend gut in dem Dauerkrieg zwischen Trojaner und Griechen eingerichtet; gibt er doch den Männern immer wieder genügend Gelegenheiten ihren Heldenmut, ihre Männlichkeit und ihre Stärke unter Beweis zu stellen. Denn der Anlass dieses Krieges ist eine Frau: die schöne Helena. Die angehende Regisseurin Stephanie van Batum von den Otto Falkenberg Schule aus München lässt dazu die Soldatentruppe als tanzende sexy Boygroup auftreten und zeigen, wie viel Erotik in der Kampfeslust stecken kann. Sie spart nicht an Effekten, die für großen Unterhaltungswert sorgen. Sie nutzt die Zweisprachigkeit ihrer Schauspieler und lässt die Griechen deutsch und die Trojaner englisch sprechen. Sie benutzt die Bildsprache von Musikvideos und karikiert dadurch die Kriegstreiberei der Herrscher als vordergründige Marketingmache ihrer Politik. Eine sehr kurzweilige unterhaltsame Inszenierung, die alles auf eine Karte setzte und damit beim Publikum punktete.
Birgit Schmalmack vom 13.6.16
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Der 10. Juni 2016, Hochschule F.a.M.
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Große Welt - kleine Welt
Die große Tageschau der Weltnachrichten begegnet der kleinen Tageschau eines einzelnen Menschen. Dieser Mensch ist Werner Schneider, der fünfzig Jahre als Standesbeamter tätig war. Ein liebeswerter Provinzbewohner aus einem kleinen Ort in Hessen. Nun sitzt er neben den zwei Tageschausprecherinnen auf der Bühne. Er ist für sie unverzichtbar, nicht nur als Repräsentant des deutschen Volkes, das täglich die Tagesschau als Pflichtprogramm anschaut und sich wie eine große Gemeinde der Nation vor dem Fernseher versammelt, sondern auch als Schnellschreiber, der die heutige Tagesschau live vom Bildschirm abtippen kann. Diese Texte, die als lange Blattschlange aus seiner elektrischen Doppelkopfschreibmaschine herauslaufen, nehmen sich diese beiden Tagesschausprecherinnen und verarbeiten sie live zu Tagesshow-Songs. In diesem festen Ritual verarbeiten sie alle Nachrichten gleichberechtigt, einerlei ob es sich um Gabriels Parteiprogrammatik, Chinas Wirtschaftsambitionen oder die Fußball-EM in Frankreich handelt. Während Werner Schneider tippt und die Damen lesen, sortieren und markieren, sehen wir Werner Schneider bei seinem Alltagsleben in seinem hessischen Ort zu. Ein gefakter Beitrag des HR erlaubt den Blick in das alltägliche Leben eines Deutschen. Der Kontrast zwischen dem sympathischen Durchschnittsbürger Schneider und den gestylten Musikkünstlerinnen, bei denen sogar das Geschlecht zu hinterfragen ist, bildetet eine reizvolle Folie für die Vielfalt in dieser Republik, die in der Tageschau schon lange keinen Platz mehr findet. Die 1-30 Meldungen standen in wohltuenden Gegensatz zu den langatmigen Erzählungen auf den Spaziergängen des Werner Schneider. Das war große Unterhaltung. Ein toller innovativer Abend von Jan-Philipp Stange von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst aus Frankfurt/Main. Birgit Schmalmack vom 18.6.16
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Fallobst im Westen, Ernst Busch
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In nur zehn Tagen
Als rasante Western Parodie, die auch als Allegorie auf die kapitalistische und beziehungsunfähige Leistungsgesellschaft gelesen werden konnte, kam die handwerklich perfekte Arbeit von Kieran Joel von der Hochschule für Schauspielkunst »Ernst Busch«, Berlin daher. Es war ein großer Spaß, die exzellenter Schauspielern von der UDK zuzusehen, die mit großer Lust einen Text des Jungautors Philipp Gärtner von der UDK spielten. Die wahnsinnig übrdrehte Story des Quacksalbers Doc, dessen Machenschaften eigentlich vor Gericht gestellt werden sollen und dabei nur die Fehlbarkeiten seiner Richter offenbar werden lassen, lässt viel Raum für Doppelbödigkeiten, Parallelitäten und aktuelle Bezüge. Kieran Joel hat seiner Inszenierung eine klare Handschrift gegeben und bewies damit den Mut alles auf eine Karte zu setzen. Dank seiner spielfreudigen Truppe, den einfallsreichen Kostüme, den prägnanten Comic-Videos und dem klarer Willen zur Überspitzung landete er einen witzigen Volltreffer. Birgit Schmalmack vom 18.6.16
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Situation mit Doppelgänger, Theaterakademie August
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Original oder Nachahmer?
Eine Studien-Performance über Blackfacing anhand der Minstrel-Shows sollte es werden. Material war genug gesammelt, nun brauchten der Regisseur Oliver Zahn und sein Assistent Julian Warner von der Münchner Theaterakademie August Everding nur noch zwei Tänzer. Schwarz und weiß sollten sie sein. Doch während des Castings wurde ihnen schlagartig klar, dass sie genau in die Falle ihres Themas zu tappen drohten. Also beschlossen sie, die Performance selbst zu tanzen. So twisten, dancen, twerken sie in perfekten Doppelgängerschaft auf der Bühne, während eine weibliche Stimme scheinbar objektiv berichtet, welchen Tanz sei gerade performen. Es geht um die Frage: Wer ist besser: Das schwarze Original oder der weiße Nachahmer? Tanzt der Schwarze den von ihm erfundenen Tanz authentischer oder der Weiße? Kann der Weiße den Schuhplattler besser oder der Schwarze den Gumbootdance? Oder doch umgekehrt? Beide treten in einen Dauerwettstreit gegeneinander an. Und offenbaren dabei ungeahnte Querbezüge der gegenseitigen kulturellen Unterwanderung. Wenn als Interlude der Thriller von Michael Jackson läuft und anschließend die Performaner gleichzeitig die Tanzbewegungen ohne Musik vorführen, kommen den Zuschauern die einzelnen Bewegungsmuster bekannt vor: Sie sind alle in den vorherigen Tanzbeispielen aufgetaucht. Diese vielschichtige tanzhistorische Performance überzeugte durch die beiden Tänzer, die Einblicke auf ganz unspektakuläre aber sehr authentische Weise gaben. Eine sehr respektable Leistung, der zur Krönung nur noch der Mut zum zeitweisen Bruch der theatralen Form gefehlt hätte. Birgit Schmalmack vom 18.06.16
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Zur Kritik von
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Fraktus, Thalia Nathan die Weise, Thalia
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