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Niemandes Schwester, Thalia

Niemandes Schwester, Thalia

Foto: Fabian Hammerl

Philosophie der Auseinandersetzung

Niemandes Schwester, Thalia

Foto: Fabian Hammerl


Ausgerechnet: Hannah Arendt (Marina Galic) soll 1959 der Lessingpreis der Stadt Hamburg verliehen werden. Nachdem die Nazis die jüdische Philosophin zur Flucht in die USA gezwungen haben. Nun diskutiert sie mit ihrer Freundin Mary McCarthy (Lisa Hagemeister) in einer New Yorker Bar, ob sie diesen Preis annehmen soll. Erteilt sie damit nicht auch den Deutschen eine Absolution, die inakzeptabel ist? Ihre Freundin provoziert sie mit der These, dass sie nur zu feige für die Konfrontation sei. Hannah entschließt sich, nach Hamburg zu fahren. Ihr Ehemann, der Kommunist Heinrich Blücher, der ebenfalls vor den Nazis fliehen musste, ist strikt dagegen und will sie noch im letzten Moment dazu bewegen, nicht an Bord des Überseedampfers zu gehen.
In Hamburg starten derweil die letzten Vorbereitungen. Die ehrgeizige Kultursenatorin hat sich dafür einen perfekten Assistenten ausgesucht: Nathan (Pascal Houdus), den sie nur aufgrund seiner jüdischen Herkunft eingestellt hat, soll die Betreuung übernehmen und die Rede schreiben, die sie selbst halten wird. Als er im prunkvollen Rathaussaal auf die gerade eingetroffene Hannah zu einer Vorbesprechung trifft, macht er ihr deutlich, welch perfides Spiel die Deutschen hier mit ihr spielen würden. Natürlich hat Hannah dieses längst durchschaut und ist sich völlig bewusst darüber, worauf sie sich hier einlässt. Doch sie will die Konfrontation, sie will die Begegnung, sie will die Auseinandersetzung. Erst in ihr kann es eine Entwicklung geben.
Das Auftragsstück, das Heinz Bude, Natan Sznaider und Karin Wieland zusammen für die Körberstiftung geschrieben haben, wurde von Joachim Lux für die Lessingtage zu einer szenischen Lesung eingerichtet. Selbst in dieser reduzierten Form wurde die
Herausforderung dieser Preisverleihung, die die drei Autor:innen neben den gut recherchierten Fakten um ein paar fiktionale Figuren zugespitzt hatten, und ihr philosophischer Tiefgang deutlich. Im anschließenden Gespräch, das von Lux moderiert und von Kultursenator Carsten Brosda begleitet wurde, komplettierte sich der Eindruck, dass es sich hier um ein spannendes Stück Hamburger Geschichte handelt, das immer noch der näheren Betrachtung wert ist.
Birgit Schmalmack vom 4.2.25

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