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Herr Lehmann
Charmanter Normalo
Herr Lehmann lebt in Berlin-Kreuzberg. Obwohl er schon bald die Schallgrenze der dreißig Lebensjahre überschreiten wird und dann auf eine Vergangenheit zurückblicken wird, jobbt er immer noch im „Einfall“, einer Kreuzberger Szene-Kneipe. Dort bildet er eine Art Kneipenkleinfamilie mit seinem Freund Künstler-Karl (Holger Dexne), mit Sylvia (Björns Ahrens), der eigentlich Sylvio ist, dem schicken Marko (Daniel Adan) und seinem übernervösen Chef Erwin (Ole Schloßhauer), der in jedem Gast die Zivilbullen vermutet. Herr Lehmann ist die gutmütige, gute Seele, die auch im größten Stress den Überblick zu behalten versucht. Seine Eltern (Gisela Kraft und Klaus Flakhausen) sind allerdings der Auffassung, dass er darüber die Baustellen in seinem eigenen Leben vernachlässigen würde.
Als Frank Lehmann die neue Köchin, die schöne Katrin, trifft, scheint sein Leben plötzlich eine bessere Wendung zu nehmen. Die kesse Frau, die jedem von Herrn Lehmanns Sprüchen noch einen weiteren entgegen zu setzen hat, fasziniert ihn. Für zwängt er sogar sich als überzeugter Nichtsportler in die alte Badehose, um mit ihr im Prinzenbad ins Mehrzweckbecken zu springen.
Doch dann überstürzen sich die Ereignisse: Er wird dreißig, seine Eltern besuchen ihn in Berlin, er muss die Grenze nach Ostberlin passieren, Künstler-Karl hat einen Nervenzusammenbruch bei seiner ersten Ausstellung und Katrin wird von einem wortkargen Schönling vor seinen Augen abgeschleppt. Just zu diesem Zeitpunkt kommt die Nachricht: Die Mauer ist offen! Während Katrin und ihr neuer Lover sofort losstürmen, verharrt die Kneipenfamilie lieber in ihren vier gewohnten Wänden. Veränderung? Nein danke.
So sinniert Herr Lehmann am Schluss: Man könnte noch mal was Neues beginnen. Man könnte aber auch einfach weiterleben wie bisher.
Regisseurin Mona Kraushaar schafft es den lakonischen Witz des Romans von Sven Regener auf die Bühne zu transportieren. Mit Stefan Haschke hat sie eine wunderbare Hauptbesetzung gefunden: sympathisch, witzig und wortgewandt mit einem Hang zur unbeholfenen Trotteligkeit. Mit Mehrfachbesetzungen wurde die vielen weiteren Rollen des Romans auf die Bühne des Altonaer Theater gebracht. Die einfallsreiche Bühne von Katrin Kersten, die eine holzgetäfelte Symbiose von Kneipe und Prinzenbad zeigte, bot zahlreiche Möglichkeiten um das Berliner Freizeit und Nachleben vorzuführen. Donnernden Applaus gab es vom begeisterten Publikum zur Premiere am Sonntag.
Birgit Schmalmack vom 16.9.08