Faust hat Hunger und verschluckt sich an einer Grete
Das Glück ist ein Reh
Zwei bebrillte Biederleute hängen ihre Köpfe aus einem Papprahmen, der sowohl Fenster als auch Fernsehen sein könnte und kommentieren aus ihrem beschränkten Sichtfeld das Verhalten ihrer Nachbarn. Durch diesen Beobachtungsrahmen ist auch das Folgende zu betrachten: Zwei mit sich zufriedene Paare fühlen den gutmenschlichen Impetus ein über ihnen wohnendes Paar mit einem Baby in ihren Freundeskreis zu integrieren. Nicht genug der Mitmenschlichkeit dehnen sie ihre Ambitionen auch noch auf zwei von ihnen mitleidig beäugte Singles aus, aus denen sie ebenfalls ein Paar machen wollen. Doch ihre Kuppelei hat dramatische Auswirkungen: Der Mann verschwindet spurlos und die Frau begeht Selbstmord.
Das Besondere des Textes von Palmetshofer „Faust hat Hunger und verschluckt sich an einer Grete“ ist, dass die beiden Titel gebenden Personen durch Abwesenheit glänzen. Die übrigen Sechs versuchen im Rückblick die Geschehnisse zu rekonstruieren. Dafür schlüpfen sie bei Bedarf in die Rollen von Heinrich und Grete, indem sie sich Rock oder T-Shirt mit dem entsprechenden Namen überstreifen. Auf der Drehbühne steht ein Haus aus Gerüststangen, das mit weißen Planen verhängt ist und von Sandsäcken umgeben ist. Hier versuchen die Sechs ihren Platz in dem Gewirr aus Stangen und Brettern zu finden. Das spielfreudige Ensemble aus Wien führte in der Inszenierung von Felicitas Brucker die Zuschauer mit einfachen Mitteln geschickt durch verschachtelte Erzählstruktur des Textes.
Palmetshofer bezieht sich in seinem Stück auf Goethes Faust. Er versucht den Transfer der Gretchen-Geschichte in unsere heutige Gesellschaft. Die Verführung durch den Mephisto wird bei ihm durch die der Nachbarn ersetzt. Die altmodischen Namen „Heinrich“ und „Grete“ blieben ein Fremdkörper, der die Andersartigkeit der zwei Singles betont. Die bildungsbürgerliche Attitüde der Referenz auf den Theaterklassiker blieb etwas aufgesetzt. Die gezeigten Versuche der jungen Leute, den Personen in ihrer Umgebung nach ihren Vorstellungen zum Glück zu verhelfen, wären auch ohne die bemühte Parallelität für einen Theaterabend interessant genug gewesen.
Birgit Schmalmack vom 30.4.09




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