Dann heul doch
Leben auf Probe
Bis 30 fühlt man sich noch in der Probephase seines Lebens, danach wird es ernst: Jetzt geht es um grundsätzlich Weichenstellungen. Wie viel Freiheit kann der Mensch dabei verkraften? Diese Frage treibt den Journalisten und Hobby-Philosophen Andre Müller um. Als er in einem Gespräch auf Alice Schwarzer trifft, entwickelt er die gewagte These, dass die Frauen gegen die Befreiungsbemühungen von Schwarzer nur deswegen oponieren würden, weil sie dieses Zuviel an Freiheit gar nicht wollten. Wie zwei eloquent aneinander vorbei reden können, zeigt sein Interviewversuch mit Schwarzer, der zwar von ihm dokumentiert aber nie veröffentlicht wurde. Aus diesem Material generiert Franziska Heller ihre theatrale Installation „Dann heul doch“.
Als die Diskussion zwischen den Beiden endgültig in eine Sackgasse zu geraten droht, tauchen bei Heller Hensel und Raether (Andreas Köhler) als „Neue deutsche Mädchen“ und die Alphamädchen Haaf, Klingner und Streidl (Lisa Hagemeister) auf und steuern ihre Thesen zum festgefahrenen Dialog bei. Im Gegensatz zu Schwarzer scheuen sich keineswegs den männlichen Interviewer auf ihre Seite zu ziehen. Das Spiel mit den von Schwarzer verpönten „Waffen einer Frau“ setzen sie gerne zum Erreichen ihre Ziele ein. Verbissenheit ist out, Leichtigkeit, Spaß, Erfolg und Sex dagegen angesagt. Während Schwarzer Protestsongs ins Mikro brüllt, räkelt sich Lisa Hagemeister gekonnt auf ihrem Drehstuhl. Und als sie ihre Vorstellungen vom neuen Feminismus vertritt, scheut sie sich nicht dabei auf Müllers Schoß zu krabbeln. Der distinguierte Intellektuelle im Cordanzug ist irritiert. Er vermisst die klare Grenzziehung, die Schwarzer möglich machte. Der Sänger Peter Thiessen der Band Kante wird zum Verbündeten der Diskutanten. Immer wieder wird er aufgefordert die musikalische Untermalung des jeweiligen Statements zu geben.
Ein sehr unterhaltsamer Abend, der den Begriff der dritten Welle des Feminismus allerdings nicht half neu zu definieren sondern eher das diffuse Gefühl von Müller nachvollziehen ließ. Wie einfach waren dagegen doch die Zeiten von Alice Schwarzer, die nicht nur die provokante Sprecherin sondern zugleich als Mythos des alten Feminismus taugte.
Birgit Schmalmack vom 18.3.09




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