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Tauben
Wer bin ich bzw. wie viele?
Ein riesiger Weihnachtsbaum blinkt in allen LED-Farben. Doch ausgerechnet nach der in der Eingangsschnulze besungenen Christmas-Harmonie steht Robert der Sinn im Moment gar nicht. Er hat genug von seinem Leben. Ihn ödet seine Wohlgeordnetheit zwischen Firma, Villa und Familie an. Seine Ehefrau Gerlinde braucht die Besuche bei dem komplett unfähigen Psychiater Asendorf, denn sie kanalisiert ihre unerfüllten Sehnsüchte in eine Kaufsucht von „italienischer Lebenskultur“. Der gemeinsame Sohn Helmar gibt derweil als sein Lebensziel an, genau so werden zu wollen wie seine Eltern. Mit dem einzigen Unterscheid: „Ich werde zufrieden sein mit eurem Leben.“
Um die vier gruppieren sich auf dem roten Schlangensofa, mit alle trotz aller Trennungswünsche stets eng verbunden bleiben, der Freund und Geschäftspartner Holger, seine Frau Natalie, die mit Asendorf ins Bett geht, Sekretärin Heidrun, die ebenfalls mit Asendorf ein Verhältnis hat und die Holländerin Silja (Elzemarieke de Vos), die ein Auge auf Robert geworfen hat.
David Gieselmann hat eine abstruse Komödie geschrieben, die nicht mit psychologischen und philosophischen Anklängen spart. Das ist äußerst praktisch. So funktioniert sein Stück auf mehreren Ebenen. Man kann sich über die gesellschaftskritischen Töne freuen und kann sich dabei köstlich amüsieren. Man kann als ideenreicher Regisseur wie Marius Mayenburg aus dem Vollen schöpfen und noch die Absurditätsschraube noch ein paar Grade weiterdrehen, indem man die Schauspieler zum Mikro greifen lässt und ein Liedchen intonieren lässt, das ihre Träume aufs Beste karikiert, und man kann mit einem überaus spielfreudigen Ensemble einen Riesenspaß fürs Publikum auf die runde Bühne der Schaubühne zaubern.
Birgit Schmalmack vom 13.4.10