Diebe
Das Schaufelrad des Lebens
Ein riesiges Schaufelrad spuckt die Menschen ins Leben, schiebt sie nach Belieben hin und her, sammelt sie wieder ein, hebt sie hoch, lässt sie schweben und wirft sie auf den Boden. In den einheitlich beige marmorierten Schaufeln darf sich kurzzeitig das Stückchen Leben einer Reihe von scheinbar zufällig ausgewählter Menschen abspielen. Da purzeln der vom Lebenskampf ermatteter Versicherungsangestellter Finn, der nicht mehr aufstehen will, seine immer noch auf ein schönes Leben hoffende Schwester Linda (Judith Hofmann), ihr im Altersheim zur Untätigkeit verdonnerter Vater (Markwart Müller-Elmau), eine Besitzerin eines Second-Hand-Ladens (Susanne Wolff), die ihrem Freund trotz Mordversuches eine zweite Chance geben will, ihre Mitarbeiterin (Olivia Gräser), die erst selbst ein Kind bekommen will, wenn sie ihren Samenspender-Vater kennen gelernt hat, ihr Freund (Helmut Mosshammer), der sich unter Lebensgefahr für sie auf die Suche nach ihm begibt, schließlich ihr Vater (Bernd Moss) nebst seiner spießigen Ehefrau, die alles dafür tun, um ihr sorgsam geschütztes Leben nicht in Unordnung bringen zu lassen und das Noch-Ehepaar aus karrieretüchtiger Monika und biederem Polizeibeamten (Daniel Hoevels), das sich trennt, weil ihre Lebensansprüche immer weiter auseinanderdriften.
Die Beziehungen aller dieser Einzelpersonen werden erst nach etlichen Schaufelradumdrehungen erkennbar. Zunächst sind es nur Einzelwesen, die wie in einer Großstadt anonym nebeneinander her leben. Dea Loher erzählt in kurzen Einzelsequenzen von ihrem Leben, von ihren Träumen, Ängsten, Sorgen, Nöten, Hoffnungen. Doch anders als in früheren Stücken erlaubt sie ihnen neben der Düsternis auch jede Menge lakonischem Humor. Andreas Kriegenburg weiß beides in seinem grandiosen Bühnenbild bestens in Szene zu setzen. Das ungeheuer präsente Ensemble folgt ihm in präzisem Timing, das durch das Bühnenbild vorgegeben ist. Leicht Swingmusik begleitet jeden Szenen-Wechsel. Umso stärker die Brüche, wenn sich die ungeheure Leichtigkeit des Lebens als sich als illusionäres Trugbild herausstellt und Finn aus dem Fenster springt, das biedere Ehepaar zu Vorschlaghammer und Pfanne greift und der Polizist die Pistole auf seine Frau richtet.
Die fast vierstündige Aufführung war keine Minute zu lang.
Birgit Schmalmack vom 16.4.10
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