Sie sind hier: Archiv

Black Tie
Mein Aussehen passt nicht zu mir. Ich sehe aus wie eine Fremde und gehöre doch hierher.
Miriam Stein (oder Park Yung Min) wurde als Baby aus Südkorea von einer Osnabrücker Familie adoptiert. Wie tausende anderer Kleinkinder wurde sie von einem koreanischen Waisenhaus an Ausländer weitergereicht. Sie wächst in Deutschland auf. Ihre neue Familie ermöglicht ihr ein Auslandsjahr in den USA, ein Studium in England. Sie arbeitet als Musikjournalistin, Werbetexterin und Regisseurin. Sie bleibt rastlos. Ihre Arbeit ist mit vielen Reisen verbunden. Um Korea schlägt sie jedoch lange Zeit einen großen Bogen. Doch dann fliegt sie nach Seoul.
Ganz erstaunt ist Miriam, als sie das Spiegelbild ihrer Busschlange in einer Seouler Fensterscheibe sieht: Sie kann sich selbst im ersten Moment nicht ausmachen. Ist sie doch sonst gewohnt diejenige zu sein, die anders aussieht, so sehen hier alle so aus wie sie. Plötzlich ist eine von vielen geworden. Die dennoch auffällt, weil sie taub und stumm zu sein scheint, da sie zwar koreanisch aussieht, aber kein Koreanisch spricht.
Ihre Herkunft kann sie auch in Korea nicht eindeutig klären. So versucht sie die neuen technischen Möglichkeiten zu nutzen: Zwei Genomanalyse-Institute beauftragt sie. Ihre Ergebnisse bilden den Boden, auf dem Miriam während ihrer Performance unter der Regie des Rimini Protokolls in Kampnagel steht. Auf ihr und das Podest ihres Musikers Peter Dick ist die Visualisierung ihres Genmaterials geklebt.
Miriam Stein weiß mit Sprache umzugehen. In ihrem Buch „Berlin Seoul Berlin“ erzählt sie von „Reise zu mir selbst“. Auch auf der Bühne berichtet sie sehr souverän von ihrem Aufwachsen in Deutschland unter besonderen Vorzeichen. Ihr Konflikt zwischen äußerem Aussehen und innerem Erleben begleitet sie bei ihrer Spurensuche bis heute.
Ein Ergebnis ihrer Genanalyse ist: Sie hat ein höheres Risiko an Alzheimer zu erkranken. Dies wird zum Bild ihrer Identitätssuche. Sie zählt auf, welche Punkte ihrer Persönlichkeit sie möglicherweise vergessen und welche sie erinnern wird. Sie werden zu einer ganz neuen Miriam verschmelzen. Dann wird sie nicht mehr zwischen zwei Identitäten wechseln sondern eine Phase ihres Lebens erreichen, in denen die Grenzen durch den Weichzeichner des Vergessens verschwimmen werden.
Birgit Schmalmack vom 8.2.10