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Genannt Gospodin
Den Kapitalismus bei den Eiern packen
Bei jedem „antikapitalistisch“, das ihr Freund Gospodin (Janning Kahnert) ihr entgegenschmettert, schreckt Annette (Katja Danowski) wie vor Schmerz geschlagen zusammen. Dennoch schreibt Gospodin sein Dogma mit langsam schimmelig werdender Milch an die graubraune Küchenwand:
1. Ein Weggang ist auszuschließen; 2. Geld darf nicht nötig sein; 3. Jedweder Besitz ist abzulehnen; 4. Freiheit ist, keine Entscheidung treffen zu müssen
Diese Überzeugung hat sich nach der Wegnahme seines Lamas, das er beim Betteln in der Innenstadt neben sich stellte, durch Greenpeace-Aktivisten nur noch verschärft. Jetzt verlässt er die Wohnung gar nicht mehr. Auch nachdem Annette mit allen Möbeln die gemeinsame Bleibe verlassen hat, sieht er keine Notwendigkeit sich der Welt außerhalb zu stellen. Ehemalige Freunde besuchen ihn nur noch, um sich die letzten wertvollen Gegenstände zu leihen. Andere deponieren schließlich bei ihm einen Haufen Geld. Scheinbar scheint sich das Nichtstun und –wollen zu lohnen. Die alten Freunde (Marion Breckwoldt, Michael Prelle) werden wieder hellhörig und bitten um Kredite. Doch Gospodin sitzt auf dem Geldhaufen und bewacht ihn brav, bis die Polizei kommt. So muss Annette ihn zum Schluss im Gefängnis besuchen: Das Geld stammte aus einem Überfall und man verdächtigt Gospodin. Annette muss staunend feststellen, dass Gospodin sich in einer erzwungenen Unfreiheit genau am Ziel seiner Wünsche angekommen sieht: Hier im Gefängnis ist er seiner Pflicht zum Gelderwerb und- ausgeben enthoben. Ohne kapitalistische Ansinnen läuft der Gefängnisalltag rein auf Tauschbasis.
Autor Philipp Löhle hat eine Kapitalismuskritik vorgelegt, den der Jungregisseur Johan Heß im Rangfoyer des Schauspielhauses auf einer kleinen Spielwiese mit kleinen erdfarbenen Hügeln ganz ernsthaft umsetzt. Alle Schauspieler sind in Baukastenfarbene Anzüge gewandet, die genau an der Grenze zwischen spießigem Schnitt und leuchtendem Ausrufezeichen stehen. Der bizarre Witz wird mit solider Businesswelt kontrastiert. Kurzweilig und aberwitzig wird hier die Kritik am Kapitalismus auf die Spitze getrieben.
Birgit Schmalmack vom 5.2.10