Sie sind hier: Startseite
Weiter zu: Hamburgtheater A-Z Berlintheater A-Z Specials Archiv Kontakt Buchprojekte
Allgemein: Die Eröffnungswoche des Festivals Ciboulette, Opera Stabile Faust, Theater Altes Heizkraftwerk Romantische Erkundungen, Thalia Fools in love, Monbijou-Theater Interlude, Brotfabrik Schuld und Sühne, Globe Ocaña, Königin der Ramblas; Neuköllner Oper Die Große Reise, Theater Anu Circus Berlin Festival Fatique, Sophiensäle Mycellium, Haus der Berliner Festspiele Non human dances, HAU 1 The Voice, Sophiensäle Ein von Schatten begrenzter Raum, Thalia Sommergäste, Brotfabrik Boca Cova, Sophiensäle Brief an den Vater, Garntheater Besser werden, Lichthof Bruder Norman, EDT Als wäre es gestern gewesen, Thalia Reparation Nation, Kampnagel Yol oder ein Zebrastreifen geht Sonne suchen, Thal Fifty and one Shades of Meryem, Thalia Odyssee oder das Kalypsotief, EDT Faust, Gretchen, Fraktur, Thalia m Herzen tickt eine Bombe, Fleetstreet The Disappearing Act, HAU 2

Suchen nach:

The Voice, Sophiensäle

Die Norm hinterfragend

Was wenn hören können nicht der Normalfall ist? Wenn man dazu die Verschriftlichung bzw. die Übertragung in Gebärden braucht? Wenn man keine Stimmen hören und deswegen auch seine Stimme nicht gebrauchen kann bzw. dies mühsam mit Hilfe von jahrelangen Logopädiesitzungen trainieren muss? Das ist der Hintergrund der sehr persönlichen Arbeit „The Voice“ der Choreograph:in Rita Mazza, deren Erstsprache die italienische Gebärdensprache ist. Mit einem riesigen Team, das beim Schlussapplaus kaum auf die Bühne im Sophiensaal passte, bezog sie Fragen der Barrierefreiheit von Anfang an mit ein. So waren Audiodiskriptionen in verschiedenen Sprachen und eine Gebärdendolmetscherin Teil der Aufführung. Über diese Tools wurden aber auch zur besseren Orientierung für alle Zuschauer:innen kleine biographische Erklärungen gegeben, die den Hintergrund der Arbeit verdeutlichen.

Um sich Gehör zu verschaffen, benutzt Mazza hauptsächlich zwei Geräusche: Sie erzeugt mit einem Strohhalm in einem Wasserglas so viele unterschiedliche Blubbergeräusche, dass sie damit sogar unterschiedliche Stimmungen ausdrücken kann. Danach macht sie ihren Atem hörbar. Das könnte dann durchaus auch sexuell verstanden werden, erklärt die Gebärdendolmetscherin vorsichtshalber gleich dazu. Denn um Kontrolle geht es Mazza. Ein Bewusstsein dafür zu schaffen, wie wichtig es für sie ist, die Wirkung ihrer Stimme selbst kontrollieren zu können, ohne sie zu hören, ist ein wichtiger Aspekt dieser Arbeit. Das Einfühlen in die Scham über die wohlmöglich erzeugten Geräusche ohne die Fähigkeit zur Rückkopplung übers eigene Gehör, wird deutlich gemacht. Mazza hat nur einen ganz begrenzten Raum dafür zur Verfügung, sie zeigt Bewegungen der Eingrenzung und der Abzirkelung auf einem kleinen schwarzen Bühnenpodest innerhalb des großen Saals. Freiheit im Ausdruck sieht anders aus. Harte Arbeit spricht aus ihrer Eroberung des kleinen Bühnenvierecks. Und dennoch auch ein Selbstbewusstsein, diese Herausforderungen gemeistert zu haben. Irgendwann entschieden zu haben: Die Stunden bei der Logopädin bringen keinen weiteren Input mehr.

Eine kleine Arbeit, die in dieser Umsetzung die Mehrheitsgesellschaft herausforderte, ihr aber auch notwendige Einblicke verschaffte. Allerdings weniger auf der gefühlsmäßigen Ebene, die sich über den Tanz und die Performance transportierte, als vielmehr durch das Setting mit den zahlreichen Zusatzinformationen rund um das Bühnengeviert von Mazza.

Birgit Schmalmack vom 29.8.24

Abbildung: The Voice, Sophiensäle - Mayra Wallraff

Gehe zu: Ciboulette, Opera Stabile Ein von Schatten begrenzter Raum, Thalia