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Mycellium, Haus der Berliner Festspiele
Non human dances, HAU 1
The Voice, Sophiensäle
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Boca Cova, Sophiensäle
Brief an den Vater, Garntheater
Besser werden, Lichthof
Bruder Norman, EDT
Als wäre es gestern gewesen, Thalia
Reparation Nation, Kampnagel
Yol oder ein Zebrastreifen geht Sonne suchen, Thal
Fifty and one Shades of Meryem, Thalia
Odyssee oder das Kalypsotief, EDT
Faust, Gretchen, Fraktur, Thalia
m Herzen tickt eine Bombe, Fleetstreet
The Disappearing Act, HAU 2
Die Zuschauer:innen sind live bei einem Experiment dabei. Eine Frau will nicht nur ihre Identität zum Verschwinden bringen, sondern soll auch selbst hinter ihrer Kunst zum Verschwinden gebracht werden. Sei nicht zu sparsam mit dem Concealer, rät sie sich immer wieder selbst, während sie eine dicke Schicht Schminke nach der nächsten auf ihr Gesicht aufträgt. Langsam verändert sich ihre Hautfarbe und wird mit jeder Lage des Make-Ups etwas heller. Auch die Ärmel und die Hosenbeine ihres Kostüms werden verlängert, um möglichst viel von ihrer dunklen Haut zu verdecken.
Dabei ist die Arbeit „The Disappearing Act“ natürlich eher eine Aktion der Aufdeckung als des Versteckens. Denn die Tänzerin und Choreographin will die vielschichtigen Wurzeln des Flamencos offenlegen. Sie schafft das auch so überzeugend, weil sie dieses Vorhaben in keiner Weise pädagogisch angeht, sondern aus der Kraft und Freude an der Bewegung heraus, die sie zusammen mit ihren drei Mitstreiter:innen auf der Bühne entwickelt. Dass sie sich ausgerechnet den Flamenco dazu erkoren hat, überrascht zunächst, doch wenn man versteht, dass dieser Tanz aus den zahlreichen, verschiedenen Kulturen, die in Andalusien im Laufe der Zeit ihre Heimat gefunden haben, entstanden ist, scheint es nur folgerichtig.
Dabei spielten sowohl arabische, romaneske wie auch afrikanische Einflüsse eine Rolle. Gerade diese Mischung konnte sich gegenseitig zu der enervierenden, treibenden Ausdruckskraft des Flamenco befruchten. Yinka Esi Graves, deren Vorfahren aus Ghana stammten, versucht diesen Einflüssen nun vorrangig mit ihrem Körper nachzuspüren. Durch die Bewegung ihres durchtrainierten Körpers deckt sie Schicht für Schicht die unterschiedlichen Herkünfte und deren Entwicklungsströmungen auf. Nie reißt die Spannung ihres Bewegungsexperiments ab. Das liegt nicht nur an ihrer bezwingenden Präsenz auf der Bühne, der man sowohl die Freude wie auch die Dringlichkeit ihres Tuns anmerkt, sondern auch anihrer sich gegenseitig bereichernden Korrespondenz mit der Musik. Zusammen mit dem experimentellen Gitarristen Raúl Cantizano, der die Flamencogitarre immer wieder neu erfindet, mit der Flamencosängerin Rosa de Algeciras, die zu ihrem gefühlsintensiven Gesang die Texte geschrieben hat, und mit der Percussionist:in Remi Graves, die den Beat des Abends korrespondierend mit dem Trommeln von Graves Tanzschuhen entwickelt hat, bekommt ihr Experiment eine Emotionstiefe, die anzieht und berührt. Hier verbindet sich tiefgründiger, theoretischer Rechercheinhalt mit lustbetonter Power in der praktischen Bewegung. Hier wird nicht nur analysiert, sondern auch dem Urgrund der Kultur des Tanzes nachgespürt, nämlich der Lust an der Bewegung des Körpers, die eine Schicht des Verstehens jenseits der Wörter und der Kulturgrenzen ermöglichen kann. So entsteht eine Arbeit, die in ihrer Präzision und Schönheit fasziniert, in ihrer Spannung mitreißt und mit ihrem Erkenntnismehrwert bereichert.
Birgit Schmalmack vom 26.8.24
Abbildung: The disappearing act, HAU 2 - Luis Castilla