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Man glaubt sich in einer Unterwasserwelt. In glänzend blaue Kostümen sind alle der 20 Tänzer:innen gekleidet, vor einem Vorhang aus ebenso blau schimmerndem leichten Stoff, über den durch Ventilatoren die Wellen laufen. Zunächst ist es nur ein einzelner Tänzer, der sich mit unsichtbaren Fußbewegungen über die Bühne schiebt, während sein Körper kleine Schlangenbewegungen vollführt. Dann gesellen sich immer mehr Wesen dazu, die sich nun gemeinsam mit ihm über die Bühne schieben, wie auf Laufbändern, die sie in Mikroschwingungen versetzen. Doch langsam verschieben sich die Linien ihrer Bahnen, mal nähern sie sich an, mal entfernen sie sich wieder voneinander. Im Laufe dieser neuen Choreographie von Christos Papadopoulos mit dem Ballet de l’Opéra de Lyon ergeben sich Formationen, in denen das Ensemble ganz dicht zusammenrückt, dann wie ein geschlossenes System wirkt. Doch irgendwann bricht einer von ihnen aus und eine neue Formation ergibt sich ganz langsam und organisch. Nichts geschieht hier abrupt, alles entwickelt sich organisch aus einem Mikroanstoß heraus, von dem man häufig den Ursprung gar nicht erkennen kann, der sich dann aber kontinuierlich durch die ganze Gruppe fortsetzt.
In der zweiten Hälfte mischen sich zu den Bewegungen des Anfangs auch allmählich andere. Ein kleines Kopfruckeln, ein Seitwärtswerfen des einen Arms. Diese Miniveränderungen im Bewegungsablauf haben dann Auswirkungen auf das ganze Ensemble. Eine Anregung reicht, um einen Veränderungsprozess in Gang zu setzen.
Es wirkt wie von einer Schwarmintelligenz gesteuert. Der schwebende, wellende Organismus steht hier bei Papadopoulos für das Mycelium, den ältesten und größten Organismus der Erde, nämlich das unterirdische Netzwerk der verzweigten Pilzfäden von Pilzen. Diese Fäden bleiben auf der Bühne unsichtbar, denn die Tänzer:innen berühren sich nie direkt, ihre Verbindung bleibt reine Intuition, so wie im Mycelium die Verbindungen durch elektrische Impulse weitergegeben werden. Hier vertreten durch den wummernden Elektrobeat von Coti K.. Diese Arbeit entfaltet eine suggestive Wirkung, die zusammen mit dem bezwingenden Electro-Soundeinen Sog entwickelt, dem man sich kaum entziehen kann. Zudem ist sie von poetischer Schlichtheit und Schönheit, die über sich hinausweist.
Birgit Schmalmack vom 29.8.24
Abbildung: Mycellium, Berliner Festspiele - Agathe Poupeney
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