Adam Geist
Ich, der Verlierer
Adam Geist steht auf der Verliererseite des Lebens. Als uneheliches Kind einer verrückten Mutter ist er früh auf sich alleine gestellt. Von dem Sterben seiner Mutter erfährt er erst, als es schon zu spät ist. Seine Versuche sich durchzuschlagen, sind von wenig Erfolg gekrönt. Als Drogendealer wird er zusammengeschlagen, als Obdachloser herumgeschubst, als Fremdenlegionär vergewaltigt, als Neonazi als Bote menschenunwürdiger Meinungen benutzt, als Soldat in Zagreb Zeuge und fast Mittäter blutigster Gewalttaten. Immer wieder spürt er die „Dämonen über seinem Kopf schweben“. So drückt es jedenfalls sein kurzzeitiger Weggefährte, der Feuerindianer Karl, aus. Auch ihn verliert er wieder, wie alle seine Freunde, die er lieb gewinnt. Denn eine Schuld verfolgt ihn. Bei der unvorsichtigen Annäherung an ein Mädchen, das er auf dem Friedhof am Grab seiner Mutter kennen lernte, tötete er sie ungewollt. Ein erster Selbstmordversuch scheitert. Seine Hoffnung auf Erlösung und Licht ist vergeblich: Er findet sich nur in einem Büßerhemd wieder, dessen bühnenlange Ärmel ihn an der Decke festketten.
Doch Regisseur David Bösch schenkt Adam in seiner Inszenierung am Wiener Burgtheater zum Schluss eine Wiederbegegnung mit dem Mädchen. Als fluguntüchtigen, stummen Engel mit angesteckten Flügeln trifft er sie erneut. Wie die wunderbare Sarah Victoria Frick für ihn bei Gott mit vergeblichem Flattern der Flügel und hilflosem Recken der Arme um Verzeihung bittet, ist ein Bild, das bei aller Komik eine große Traurigkeit ausdrückt. Denn die Vergebung von oben muss zwar ausbleiben, da der leere Himmel eine Antwort verweigert. Kein Gott nimmt den Menschen ihre Lebens-Verantwortung ab.
Bühnenbildner Patrick Bannwart schuf für Adam einen eigenen Kosmos. Seine Welt ist eine schwarze Scheibe, auf dem viele Kreuze den Weg der Menschen vorzeichnen. Doch der Ausblick auf weitere Planeten, Monde und Sterne in der Ferne ist möglich. Beim Versuch sie zu erreichen, ist der Absturz jedoch vorprogrammiert.
Adam (Sven Dolinski) stolpert zunächst wie ein unschuldiges Kind auf diese platte, eng umgrenzte Welt. Er versucht unsicher, aber zunächst noch hoffend, dann zunehmend immer desillusionierter seinen Weg zu finden. Er kann nicht an den großen Geist der Indianer glauben, sein Schrei zum Himmel bleibt ohne Widerhall. Mag die Aussicht auf fremde Existenzen im Weltall Trost geben, wenn alle seine Freunde verschwinden, keine Begegnung bleibt und die Einsamkeit übermächtig wird?
Das Wiener Ensemble brillierte in Dea Lohers Stationendrama, dessen Rollen Bösch auf sechs Darsteller zusammenstrich. So tröstet zwar nicht die Expedition des Voyager-Raumschiffes, wohl aber die Poesie und der Humor, die Bösch der Tragödie entlockte, ein wenig über die tiefe Traurigkeit des menschlichen Einsamkeit hinweg.
Birgit Schmalmack vom 12.4.10
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