Das goldene Vlies
Das glitzernde Vlies weckt Begehrlichkeiten. Jeder will das wertvolle goldene Tuch, das Macht verspricht, besitzen. Dafür ist den Männern kein Opfer zu hoch. Jason verlässt seine Heimat und fährt nach Kolchis, um es zu erlangen. Der dortige Herrscher, Medeas Vater, setzt alle seine militärischen Mittel ein, um das Vlies zu verteidigen. Der zauberkräftigen Medea, Tochter des dortigen Herrschers, verspricht Jason schließlich Liebe und Heirat, um an das Tuch zu kommen. Auch der König Kreon, der den beiden geflohenen Eheleuten schließlich in Korinth Asyl bietet, will als Gegenleistung das Vlies in seinen Besitz bekommen.
Die Frauen sind dagegen für eine andere Gegenleistung zu ebenso großen Opfern und Gewalttaten bereit: Sie wollen eine Beziehung voller Liebe und Fürsorge. Medea opfert Vater und Bruder, um mit Jason zu fliehen. Kreusa, die Tochter des Kreon, schiebt für die Beziehung zu Jason dessen ersten Frau bedenkenlos beiseite. Als Medea schließlich ihre Chancenlosigkeit auf Ehemann und Kinder erkennen muss, ist ihre Enttäuschung so grenzenlos, dass sie gnadenlose Rache an Jason nimmt: Sie ermordet ihre Kinder.
Karin Beier hat für ihre Inszenierung Grillparzers Fassung des Medea-Stoffes gewählt. Sie verlegt ihn auf ein quadratisches Arenapodest, das zum Kampfplatz zwischen den Konkurrenten um Macht, Gold und Liebe wird. Hervorragende Schauspieler, zum Teil jetzt Mitglied des neuen Thalia-Ensembles, machten das Zuschauen zu einem spannenden Vergnügen. Maria Schrader ist eine hochemotionale und intelligente Medea, die ihre Gefühlen und Überlegungen nicht nur durch die Worte verständlich machte. Beiers körperbetonte Inszenierung nutzte die Kampfarena nämlich auch für die körperlichen Auseinandersetzungen. Patrycia Ziolkowska zeigte zwei ganz unterschiedliche Charaktere: zu Beginn den jederzeit kampfesbereiten Medeas Bruder und später die zarte, liebevolle, verführerische Kreusa. Manfred Zapatka mimte die beiden Herrscherfiguren. Carlo Ljubek schaffte es, in der Figur des Jason sowohl die Verzweiflung, die Liebesbereitschaft, die Kampfeslust, die Lust an der Macht aus zu loten. Eine dreistündige, hochkonzentrierte Auseinandersetzung um die verschiedenen Interessen der Kombattanten durften die Besucher des Gastspiels im Thalia-Theater anlässlich der Lessingtage verfolgen.
Birgit Schmalmack vom 5.2.10
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