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Der stets blaue Himmel, für Norddeutsche stets ein Quell an guter Laune, ist für Kalifornier zur einem Schreckgespenst geworden. An der Westküste der USA regnet es nicht mehr, Trockenheit und Feuersbrünste breiten sich aus. Die sandig-braune Drehbühne zieht langsam ihre Kreise, während Merlin Sandmeyer den Jazzklassiker "Blue skies" melancholisch ins Mikro haucht. Dort in Kalifornien wohnt das Ehepaar Otilie und Frank in einem Strandhaus, in dem sie immer mehr unter der Hitze leiden. Ihr Sohn Cooper war schon immer ein Nerd, er ist Insektenforscher geworden. Er fürchtet um seine Profession, da die Insekten aussterben und hat sein Leben dem Kampf gegen den Klimawandel verschrieben. Bei seiner Mutter sind seine Reden schon auf fruchtbaren Boden gefallen: Sie hat ihre Küche von Fleisch auf Insektennahrung umgestellt.
Das zweite Kind, die Tochter ::: lebt dagegen an der Ostküste, wo immer mehr Regen fällt und die Menschen durch Überschwemmungen mit ganz anderen Problemen zu kämpfen haben. Doch das kümmert sie wenig, ihr Verlobter Todd verdient gut und sie widmet sich ganz ihrer Karriere als Influencerin. Dazu schafft sie sich eines Tages mehr als Schmuckstück denn als Haustier eine Tigerpython an.
Bald suchen die Tragödien die Familie heim. Cooper wird von einer Zecke gebissen und verliert seinen rechten Arm. Nachdem die Tochter Zwillinge mitten in einer Hochwasserkatastrophe zur Welt gebracht hat, wird eins der Babys von ihrer Schlange ermordet. So mischen sich bei T.C. Boyles Romanvorlage und damit auch in der Inszenierung von Jan Bosse am Thalia Theater die Umweltkatastrophen mit denen in der Familie. Denn obwohl die Mutter lautstark betont, wie sehr sie für den Zusammenhalt der Familie kämpft, demonstriert sie mit ihren Handlungen nur ihre Hilflosigkeit. Der Vater hält sich zurück, überlässt seiner Frau die Sorgearbeit und liefert nur hin und wieder ein paar Kommentare, die auch nicht weiter helfen. Letztendlich wird hier eine Gesellschaft gezeigt, die oberflächlich einem Bild des stets optimistischen Amerikaners zu entsprechen versucht, aber in keiner Weise zu einer Hinterfragung ihrer Haltungen in der Lage ist. Wenn Cooper dies dennoch immer wieder versucht, wirkt das ebenso hilflos, wie wenn seine Mutter die Madentortillas auf den Dinnertisch stellt und beim Verzehren immer wieder würgen muss.
Jan Bosse wollte keine depressive Untergangsstimmung auf der Bühne verbreiten, daher hat er sich in eine komödiantische Satire-Form gerettet. Alle Figuren agieren völlig überdreht und werden so zur Karikaturen ihrer selbst. Sie rücken auch durch die Kostümierung sehr weit vom Zuschauer weg. Eindeutig sind sie mit ihrer Kleidung in den USA verortet. Überall Cowboyhüte, Fransenjacken, Glitzerkleider oder Hawaiihemden und Baseballcaps. So fällt das Eindenken und Einfühlen schwer. Die Figuren kommen einem selbst bei ihren persönlichen Schicksalsschlägen nicht richtig nahe. Man kann sie auch in ihrem Leid nicht ernst nehmen, denn sie weinen immer eine Spur zu laut. Dieses Drama auf der Bühne hat also scheinbar nichts mit uns zu tun. Es ist weit weg, sagt diese Inszenierung.
Bosse wollte wohl keine allzu deprimierende Arbeit an den Anfang der neuen Spielzeit stellen. Es ist ihm gelungen. Wenn das überlange Stück auf dem Spielplan steht, ist das Theater ausverkauft und das Publikum am Schluss über den sehr unterhaltsamen Abend begeistert, der nie mit moralisierenden Aufrufen zu Veränderungen nervte. Und das ist bei diesem Thema auch eine Leistung. Vielleicht könnte er sogar durch die menschliche Absurdität, die uns auf der Bühne vorgeführt wird, mehr bewirken als all die gutmenschelnden Ermahnungen, die sonst zu hören und zu sehen sind und doch bisher völlig wirkungslos geblieben sind. Sind wir wirklich so hohl, kopflos und ferngesteuert wie diese Wesen auf der Bühne? Sollten dies Vertreter der homo sapiens sein?
Birgit Schmalmack vom 12.11.24