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Der eigene Tod, DSH

Ohne Erinnerung der Seele ist der Körper nichts.


Drei Herren in beigeweißer Sommerkleidung betreten die Bühne und verbeugen sich. So wie der Applaus das Ende einer Vorstellung markiert, so ist der Tod das Ende des Lebens. Doch an diesem Abend ist manches anders. So tritt der Protagonist hier auch gleich in dreifacher Ausführung auf. Jeder von ihnen verkörpert eine etwas andere Haltung. Der eine ist für eine gleichmütige Überspielung der Fakten zuständig, der zweite für die philosophischen Weiterdenken und der dritte steht für den pragmatischen Realismus. Doch alle drei sind eines Morgen an einem sehr schwülen heißen Sommertag plötzlich mit einem Umstand konfrontiert, der mehr als beunruhigend ist: Nach einem Zahnarztbesuch bekommt der namenlose Mann plötzlich kaum noch Luft und verspürt starke krampfhafte Schmerzen. Dennoch sendet er keine Aufmerksamkeit heischende Alarmmeldung aus, sondern versucht seine Schwäche möglichst zu vertuschen. Er wankt betont unauffällig in ein Restaurant und hat dort mehr Angst um sein merkwürdiges Auftreten als um seine Luftknappheit. Als er endlich zu Hause ankommt, stellt er fest, dass sein Zustand sich stetig verschlechtert und rettet sich mit Mühe in eine nahe Arztpraxis. Dort ruft man den Krankenwagen und nun übernimmt die Notfallmedizin.

Péter Nádas hat nach einem selbst erlebten Herzinfarkt sein Schweben zwischen Leben und Tod akribisch beschreiben und analysiert. Er betritt quasi stellvertretend für seine Leser:innen und hier auch im Malersaal für seine Zuschauer:innen ein Land, aus dem es normalerweise keine Rückkehr gibt. Doch dieser Reisende in dieses Zwischenreich zwischen Leben und Tod kann eine seltene Zeugenschaft vorlegen und stellt sich dieser Aufgabe mit größter Genauigkeit. Er beschreibt minutiös seinen Zustand des einerseits schwindenden Bewusstseins und andererseits gesteigerter Wahrnehmung in allen Details. Regisseur András Dömötör folgt seinem Essay mit ebenso viel Anteilnahme, Präzision und Unaufgeregtheit. Denn obwohl dem Mann immer wieder der Todesschweiß auf die Stirn tritt, die Panik sich über seinen ganzen Körper ausbreitet, verlässt er nie die scheinbar objektive Beobachterposition. Als wenn er die Verantwortung seiner Zeugenschaft spüren würde und kein noch so kleines Detail seiner ungewöhnliche Reise vernachlässigen darf, damit keiner auf seine Berichterstattung verzichten muss. Er begreift sich als wichtigen Zeuge im Prozess der Erfassung der tatsächlichen Zusammenhänge des Universums, in die Zeitlosigkeit übernimmt und die bisherigen Verknüpfungen aufgehoben und die wirklichen Strukturen erst erkennbar werden.

Zum Schluss ist der Mann gerettet. Seine Reanimation gelang. Freude in seiner Umgebung, doch er selbst? Er fühlt sich nach seiner Rückkehr aus dem Zwischenreich fremd. Dort wies ihm eine unbekannte Kraft den Weg, doch hier muss er mühsam wieder lernen sich zurecht zu finden und rettet sich einstweilen in Tätigkeiten wie Staubsaugen und Aufräumen. Dömötör nutzt die schwarzweiße Einheitsbühne des Malersaals (Bühne: Julia Oschatz ) in der "Realnische O" mit seinen schiebbaren Podesten, um die Wirklichkeit immer wieder zu verrücken. Ein schwarzes Türblatt mit einem weißen Rahmen dient ihm in der letzten Krankenhausszene mal als Bett, mal als Decke, mal als Balancieraccessoire und mal als Paravent. Durch diesen reduzierten Umgang bringt er den Text zum Leuchten. Die drei Schauspieler (Matti Krause, Jan Thümer), unten denen Markus John mit besonders nuanciertem Spiel glänzt, stellen sich ebenfalls ganz in den Dienst des außergewöhnlichen Berichtes und lassen ihn zu einem äußerst bereichernden Schauspielabend zur Aufarbeitung der Zukunft werden.

Birgit Schmalmack vom 11.11.24

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