Ödipus auf Cuba

Zur runden Ensembleleistung trugen außerdem Cristin König (Helen), (Marvin) und (Joachim) bei.
Ivy
Grell geschminkte Bankrotterklärung

Zigarrenqualm vernebelt die Luft. Menschen in knallbunten Kleidern stehen zu karibischen Klängen rauchend und trinkend zusammen. Hier auf Kuba in der Garderobe einer Schauspieltruppe beginnt Fabers (Peter Kurth) Geschichte. Als er von der Schwangerschaft seiner schwarzen Freundin Ivy (Maria Simon), erfährt, flieht er zum zweiten Mal in seinem Leben vor einer Beziehung mit allen Konsequenzen.
War der Container auf der Bühne bis hierhin noch geschlossen, so löst Faber mit lautem Knall die Vorderwand und eine stahlfarbene Box wird sichtbar. Hier sitzt sein früherer Freund Joachim (Robert Kuchenbuch), der als Mittelding zwischen zersauster Motte, die zum Fasching gehen will, und Otto Lilienthal daherkommt. Leicht verwirrt übt er in seiner Betonhütte in der Wüste Mexikos immer noch an seiner Flugmission. Faber wird Zeuge seiner Explosion am Himmel.
Weiter geht es per Schiff. Hier lernt er eine Frau kennen, deren Jugend den Fünfzigjährigen erstaunt: „Wie jung man sein kann!“ Und der er einen Heiratsantrag macht: Sabeth, die sich mit ihrem Freund Marvin (Johann Jürgens) zunächst nur über den alten Knacker amüsiert. Doch Faber schafft es auf eine stille, beständige Art zu ihrem Reisekumpan und Liebhaber zu werden. In Griechenland wird sie von einer Schlange gebissen und stirbt daran. Faber muss erkennen, dass ihre Mutter Helen die erste schwangere Freundin ist, die er im Stich gelassen hat: Sabeth ist ihre gemeinsame Tochter. Auch Faber hat nicht mehr lange zu leben: Er hat Magenkrebs.
Julischka Eichel ist eine furiose Sabeth. Sie verkörpert die Jugendlichkeit, die Faber so entzückt, mit tänzelnder Energie, die kaum zu bändigen ist. Kurth sieht in seinem biederen Anzug mit Hut und Brille daneben tatsächlich so alt aus, wie Sabeth behauptet. Dort bald schon lässt er sich anstecken: Er kippt sich und ihr einen Kanister Wasser über den Kopf und veranstaltet mit ihr zusammen zwischen den Containerrippen ein Wettrutschen. Kurth zeigt einen Homo Faber, der alt genug ist, um nicht mehr alles ausprobieren zu müssen und dessen Lebensgier dennoch noch lange nicht befriedigt ist. Eichel ist dagegen eine ungestüme, junge Frau, deren Neugierde von keinerlei Angst und Bedenken gebremst wird. Cristin König als ihre Mutter Helen zeigt eine resignierte, aber disziplinierte Karrierefrau, die auf ihrem Kostüm mit blütenweißer Bluse kein Stäubchen duldet. Selbst als sie erfährt, dass Faber eine Beziehung mit ihrer Tochter hat, bemüht sie sich um Haltung und unterdrückt ihre Wut und Sehnsucht.
Regisseur Armin Petras wollte in seiner Neufassung des Homo Fabers 2008 viel: Mit den resignativen Erfahrungen des Entwicklungshelfers Faber sollten die Verwüstungen der Globalisierung gezeigt, mit der Ortsangabe „Cuba“ einen Gegenentwurf zum Kapitalismus eingeflochten und gleichzeitig die Tragödie von Ödipus mit der von Faber verknüpft werden: Wie dieser macht sich Faber schließlich unwissend schuldig. Doch diese Aspekte, auch wenn sie Titel gebend waren, laufen zwar im Hintergrund mit, bleiben aber im Laufe des fast dreistündigen prallen Theaterabends zum Glück eher Randnotizen. Das liegt auch am schrägen Liedgut, das eingestreut wird, falls es zu trocken gesellschaftskritisch werden könnte. Im Zentrum steht ohnehin die Dreiecksgeschichte um Faber, Sabeth und Helen, die nicht zuletzt dank der wunderbaren Schauspieler weit über eine klischeehafte Midlife-Krise hinausgeht. Walter erkennt, dass er in seinem Leben den verkehrten Zielen hinterher gelaufen ist. Sowohl in privater wie in beruflicher Hinsicht: Ein Westler am Ende seiner Weisheit.
Der Schluss führt Faber wieder in die kubanische Kulisse. Ganz dem grell geschminkten Ambiente verpflichtet, fängt Kurth zu den Klängen von Maria Simon und Johann Jürgens an zu singen: „Ich werde nie wieder so alt werden“ und geht fröhlich trällernd ab.
Birgit Schmalmack vom 15.4.09




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Baal
Kleine Nullen sich im Aufwind blähen