Baal
Alwara Höfels, als Sophie. Franz Konstantin Beil Eckart Michael Schweighöfer (u.a. als Mutter Baal) und Mathis Reinhardt

Ob es einen Gott gibt oder keinen, sei egal. Aber ob es Wein oder Weiber gebe, sei keineswegs egal, verkündet Baal. So losgelöst von allem Künftigen und so fest verbunden allem Jetzigen lebt Baal, das Dichtergenie, der Säufer, der Frauenverführer. Ausgestellt wird er auf einem schlichten hölzernen Podest in den Kammerspielen des Deutschen Theaters. In grauer Schlabberkleidung trägt er seine Verse vor. Mit stets genügend Trinkbarem in greifbarer Nähe nimmt die Frauen so, wie er sie kriegen kann. Interesse an ihnen hat er sowieso nur aus kurzfristigem Eigeninteresse. Nach Benutzung derselben entsorgt er sie schnell.
Baal macht sein Leben zu einem Dauerrausch. Gierig saugt er alle Empfindungen in sich hinein. Er liebt die Extreme. Er geht immer aufs Ganze und schont sich selbst und die anderen dabei nie. Er ist unersättlich. Er fühlt sich an nichts gebunden. Moralvorstellungen, Gesetze, Regeln, Gottesglaube existieren für ihn nicht.
Regisseur Christoph Mehler hat das Podest fast ausschließlich für seinen Hauptdarsteller Marco Kreibich aufstellen lassen, um den herum die ganze Inszenierung aufgebaut ist. Alle übrigen Personen sind nur Randfiguren, die bei Nichtgebrauch auf den schmalen, kleinen Bänken Wartestellung einnehmen. Und Kreibich macht seine Sache beeindruckend. Er zeigt diesen Baal in all seinem narzisstischen, anarchischen Wahnsinn. Er ist auf der Bühne ein wildes Tier, das sich selbst nur mühsam in Zaum halten kann und es auch gar nicht will. In sportlichem Höchsteinsatz tanzt, frisst, springt, hüpft, verrenkt, leidet, schmachtet er auf diesem Podest in hyperaktiver Dauershow.
Bertholt Brecht zeigte in seinem Stück „Baal“ einen Menschen, der mit seinem anarchistischen Verhalten die Konventionen der Gesellschaft bloßstellen wollte. Bei Regisseur Christoph Mehler fehlt allerdings diese Gesellschaft. Übrig geblieben ist das Rebellentum Baals als bloße Attitüde, in der die Selbstinszenierung zum Selbstzweck geworden ist. Ganz im Stile der heutigen Entpolitisierung und dem Fehlen jeglicher inhaltlicher Ideale ist der Starkult als einziges Ziel übrig geblieben.
Birgit Schmalmack vom 16.4.09




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