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Die europäischen Medien

Zur Kritik von

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Die europäischen Medien

China ist das neue Europa

Besonders die Werte der Freiheit und der Individualität werden in Reden von europäischen Würdenträgern stets hoch gehalten. Doch wie steht es um sie im Einzelnen? Gibt es die Meinungsfreiheit, die Diskussionsvielfalt, die individuelle Haltung tatsächlich oder ist sie nur ein vorgeschobenes Wunschdenken, um diese Meinung umso besser manipulieren zu können? Bedienen sich die Mächte nicht immer mehr den vermeintlich individuellen Stimmen der Bürger nur um ihre Interessen besser durchsetzen zu können?
Sieben von ihnen werden in der Kampnagel Halle als Medium benutzt. Sie verkörpern Murdoch, China, Google, Mohammed, einen thailändischen Sexarbeiter, einen afrikanischen Flüchtling und Angela Merkel. Sie werden zum Medium für eine Sichtweise, die nicht ihre eigene ist. Sie werden zu willenlosen Stimmen, sie werden benutzt zur Erzeugung einer Medienöffentlichtkeit, die mit der Individualität ihrer Individuen spielt, die die Vorstellung einer freien Wertegemeinschaft mit gemeinsamen europäischen Wurzeln genieren soll. Der Medienmogul Rupert Murdoch ist ein Beispiel wie sich wirtschaftliche Interessen mit Meinungsmache paaren. Google nutzt die ganz persönlichen Suchwege der Benutzer um ihnen noch gezielter ihre Wünsche als die eigenen verkaufen zu können. Angela Merkel sieht sich durch die Stimmabgabe der Bürger als ihre Stimme und Interessenvertreterin legitimiert, aber flüchtet sich gleichwohl in abgewogene Nichtaussagen, um ihre ihren politischen Machterhalt nicht zu gefährden. China definiert die Meinungsfreiheit seiner Bürger so, dass es für sie besser gar keine Meinung zu haben.
Dieser hohe Stellenwert des Individuums wird stellvertretend durch die Vereinahmung der Schauspieler in Frage gestellt. Die Schauspieler, die ihnen als Stimme zur Verfügung stehen müssen, kämpfen um ihr Recht als Einzelperson. Sie erheben ihre Stimme um gegen ihre Rollenzuschreibung zu protestieren. Immer wieder steigen sie aus ihrer Rolle aus und versuchen klar zu stellen, dass sie ihre eigene Meinung vertreten. Doch vergeblich. „Wie heißt du?“, fragt Angela Merkel hinter ihrem Rednerpult ihr Medium. „Cornelia Dürr“, antwortet die Schauspielerin. „Ich auch“, entgegnet die Kanzlerin. Das Verwirrspiel um die eigene Stimme wird immer wieder gebrochen. Genau sind die Ausbruchsversuche herausgearbeitet, fein akzentuiert, doppeldeutig formuliert und sehr gut gespielt. Oft genügt eine Körperhaltungsänderung, um den Bruch deutlich zu machen. Regisseur Nielsen huscht immer wieder als dienstbarer, dürrer Geist über die Bühne.
Der langatmige und eher auf Klamauk ausgerichtete Epilog wäre dagegen verzichtbar gewesen. Er wiederholt nur die Thesen, die zuvor schon wesentlich intelligenter und differenzierter dargestellt wurden. Der Ausnahmekünstler Nielsen, der oft in seinen Arbeiten das Verschwinden thematisierte, gelingt auf Kampnagel ein kluger, konzentrierter und fesselnder Abend über die europäischen Werte und ihr mögliches Entschwinden.
Birgit Schmalmack vom 11.12.13



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