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Boheme oder was die Kunst mit der Liebe macht


Wie lieben Künstler?

Mit den mickrigen Würstchen der Wahrheit will sich der Dichter Rudolfo (Dominik Bliefert) nicht abspeisen lassen. Denn er glaubt an die Kraft der Kunst. Die Realität will er durch die Fiktion verändern. Dafür lebt und arbeitet er. Doch die Realität holt ihn schneller als gedacht in Gestalt einer jungen hübschen Frau namens Mimi (Katharina Lütten) ein. Die große Liebe scheint gefunden, doch bald stellt sich heraus: Mimi ist sterbenskrank.
Die Wechselwirkung von Kunst und Liebe wollte Diplomantin Friederike Schubert in ihrer Abschlussinszenierung untersuchen. Dafür hatte sie sich Puccinis Oper Boheme ausgesucht. Musik spielt auch bei ihrer Arbeit eine große Rolle. Der Elektro-DJ Florian Kochon erzeugt an seinem Pult live auf der Bühne den passenden Sound, während Mimi und Rudolfo verzweifelt versuchen ihre Liebe zu retten. Doch Hindernisse gibt es viele. Die Armut des Dichters ist eines. Mimis Krankheit ein weiteres. Rudolfo fühlt sich schuldig. Vielleicht hat seine zugige Wohnung Mimi erst krank gemacht. Doch offen aussprechen kann er seine Ängste nicht. Lieber stößt er Mimi machomäßig von sich und wirft sie aus seinem Leben heraus. Erst als sie mit letzter Kraft zu ihm zurückkommt, um nicht alleine sterben zu müssen, kann er ihr den Beistand geben, den sie benötigt.
Währenddessen füllt der Live-Art Künstler Dan Arnold mit seinen schwarzen und roten Bildern die unbeschriebenen Blätter, auf denen Mimi und Rudolfo ihre Liebe gestalten. Blumen lässt er zunächst sprießen, dann Hände nacheinander greifen, danach geifernde Ungeheuer den Freiraum ihrer Beziehungsgestaltung komplett einnehmen. Nach Mimis Tod zeichnet er nur einige wenige rote Blütenblätter auf den letzten riesigen Papierbogen, die bis an die Nasenspitze des trauernden, am Boden liegenden Rudolfo reichen. Da schafft dieser es sich aufzuraffen und kann erkennen, wie immer weitere rote Blumen seine bisherigen Erinnerungen an Mimis Liebe füllen.
Er findet wieder Kraft an seinen Aufruf zu Beginn anzuknüpfen: „Lasst die Fiktion die Realität beeinflussen. Glaubt nicht an das Sterben, auch wenn es eintritt“, ruft er aus.
Schubert findet im Libretto zur Puccini-Oper eher dürftiges Material für ihre Forschungen bezüglich der Vereinbarkeit von Liebe und Kunst. So füttert sie sie mit beredter Bewegungschoreographie zu Klängen und Bildern aus. Von dem verzweifelten Versuch der Liebenden ihre Beziehung aufzubauen und zu erhalten, sieht man einiges, doch die speziellen Bedingungen einer Künstlerbeziehung werden nur durch den Aspekt der Armut gekennzeichnet. Die These, dass Rudolfo eventuell nicht lieben könne, weil er seine Leidenschaft schon der Kunst verschrieben habe, muss man dann doch dem Programmheft entnehmen.
Birgit Schmalmack vom 25.2.13




 

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