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Eiseskälte
Wie tiefgefroren fühlt sich Paul Niemand, der über vierzigjährige Unternehmensberater. Schon als Kind fror er ständig neben seinen Eltern, die sich nicht wirklich für ihr Kind interessierten. Merkt überhaupt jemand, dass er existiert? Nur in der Abflughalle, wenn sein Name als letzter Passagier für seinen gebuchten Flug ausgerufen wird, weiß er wirklich, dass er gerade vermisst wird. Diese Augenblicke genießt er.
Dabei bescheinigen ihm seine Teamkollegen, dass er durchaus über kommunikative, menschlichen Qualitäten verfügen würde: „Er komme gut rüber.“ Doch seine Schwächen lägen im Strategischen. Doch Niemand hat für diese Branche das Verfallsdatum schon knapp überschritten und sollte sich am besten selbst wegrationalisieren, was er dann auch wunschgemäß ausführt. Mit diesen jungen Kraftpaketen, die noch dem Traum vom großen Geld und Erfolg mit vollem Elan hinterher hechten, kann er nicht mehr mithalten. Sie können sich tatsächlich noch einreden, dass sie der Gesellschaft einen großen Dienst erweisen, wenn sie 40 Prozent der Bevölkerung wegsanieren: Sie sind es, die Deutschland erst fit für den globalisierten Weltmarkt machen. Paul Niemand weiß im Gegensatz zu ihnen schon, dass auch sie bald zu denen gehören werden, die dann aussortiert werden.
Falk Richter hat in „Unter Eis“ seinen eigenen Text auf die Bühne gestellt. Als umjubeltes Gastspiel der Schaubühne vom Lehniner Platz war es am Wochenende im Theater Haus im Park zu sehen. Er zeigte Theater vom Feinsten: gesellschaftskritisch, kunstvoll, überraschend, darstellerisch und bühnenbildnerisch brillant.
Birgit Schmalmack vom 4.4.06