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Ein schmutziges Geschäft
Ein versifftes Kellergeschoss ist der Treffpunkt der „Schotten-Gang“. Eine Wand ist verspiegelt. Eine alte Badewanne mit einer darauf gelegten Tür dient als Tisch, auf dem die leeren und vollen Flaschen stehen. Drei Aborte, drei Waschbecken und ein Bidet vervollständigen die Einrichtung des trüben Ortes(Bühne: Herbert Muraurer). In dieser wenig herrschaftlichen Umgebung hat Macbeth (Tim Grobe) das Sagen, jedenfalls nachdem er seinen Vorgänger, den Mafia-König MacDuncan beseitigt hat. Nun ist er zwar der Boss, aber lebt in ständiger Todesangst. Und seine ehrgeizige Frau ist jetzt zwar die „Lady“ (Irene Kugler), aber auch an ihr geht das Blutbad, das sie und ihr Mann angerichtet haben, nicht spurlos vorbei. Begannen beide als energiegeladene Emporkömmlinge, so enden sie als keifende, nicht mehr zurechnungsfähige Alkoholiker.
Ein schmutziges Geschäft betreiben die in den schwarzen Anzügen, den schwarz-weißen Schuhen, unter den feinen Filzhüten und mit den umgeschnallten Pistolenhalftern. Eine saubere Weste kann sich niemand von denen bewahren, die ihre Hände in Blut tauchen. Solange MacDuncan die Zügel noch in der Hand hatte, waren die Regeln durchschaubar. Man bekam Befehle, sie wurden ausgeführt, man erhielt Belohnungen. Wer sich widersetzte, wurde bestraft. Wer sich als Verräter erwies, wurde liquidiert. Doch nach MacBeths Machtübernahme geriet das Mafiaschiff aus dem Ruder. Denn dieser spielt seine Härte nur, unter der sich Ängste und Unsicherheiten verbergen. Seine Frau ersetzt mit ihren Anstacheleien sein fehlendes Rückgrat. Doch bloße Machtgier ohne Führungsqualitäten reicht auch für die Leitung eines Mafiaclans nicht aus. Damit ist der Niedergang Macbeth und seiner Gang schon zu Beginn zu ahnen.
Die Regeln schienen doch so klar wie einfach: Verrat ist tödlich. Unser Clan geht über alles. Doch wer ist ein Verräter? Wie wird die Beweisführung erledigt? Wie geht man mit dem Verräter des Verräters um? Wer gehört zu unserem Kreis, wer er auch ein Verräter sein könnte?
Marc von Henning hat den „Macbeth“ von Shakespeare auf seine Weise erzählt. Er findet eine spannende und schlüssige Umsetzung des altbekannten Stoffes. In dem neuen Ambiente kommen die interessanten Fragen, die der Text aufwirft, aufs Beste zur Geltung.
Birgit Schmalmack vom 5.5.06