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Das weite Land, DT

Zur Kritik von

Nachtkritik
BZ
Tagesspiegel
Freitag

Das weite Land, Deutsches Theater

Der Sofa-Berg will bezwungen werden

Wie ein dunkler Berg (Bühne: Florian Lösche) stehen die aufeinander gestapelten Sofas im Hintergrund. Die Coach als Therapeuten- und Gesellschaftssymbol nimmt wie ein drohender Alp Ausmaße an, die ergründet werden wollen. Bedrohlich sind die Seelenzustände, die Gefühle, die Sehnsüchte, die Lüste und Ängste dort aufgetürmt. Doch erst einmal nimmt man gesittet auf einem Einzel-Sofa Platz und redet. Erst nach der Pause wagen die Menschen den Alptraum-Sofa-Berg zu besteigen, zu ergründen, auszuleben, nachzufühlen und die Risiken am eigenen Leibe zu spüren. Selbst der obercoole Friedrich (Felix Goeser) wagt den Aufstieg. Er wird in sich ungeahnte Gefühle entdecken. Alle seine Selbstgewissheiten, das Leben wunderbar im Griff zu haben, sind zerbrochen. Dabei gefiel er sich doch so gut in seiner Rolle. Er war der erfolgreiche Geschäftsmann, der glaubte mit einer klaren Analyse alle Dinge des Lebens regeln zu können. Kein Gefühl ließ er so nahe an sich herankommen, das es ihm gefährlich werden könnte. Zum Schluss wird er wie ein kleines Kind Schutz unter einem der Sofas suchen.
Seine Frau Genia wurde dabei wider Willen zum Spielball seiner Lebensstrategie. Sie musste mitspielen in seinem Spiel, in dem alles Lüge war. Dabei glaubte sie an die Wahrhaftigkeit, war aber zu klug, dass bei ihrem Mann allzu deutlich durchblicken zu lassen. Hier fand sie in dem Arzt (Ulrich Matthes) einen Ähnlichdenkenden, der so gerne der jungen, springlebendigen Erna (Anna Drexler) seine aufrichtige Liebe schenken wollte, doch bei ihr nur auf eine der weiteren Frauen trifft, die dem Charme des erfolgreichen Friedrich verfallen sind.
Wie geht man mit dem Seelenleben, das ein einziges Chaos ist, um? Wie schafft man es, diesem ungeordneten Sammelsurium an Gefühlen eine Struktur zu verschaffen? Durch Verleugnen? Durch Vertuschen? Durch Ausleben? Durch Betrachten als Spiel? Durch Aufladen mit Bedeutung? Durch Schaffung von Werten?
Alle diese Menschen, die sich vor dem Seelenberg versammelt haben, versuchen ihre eigene Weise zu finden, um mit dem Chaos in ihrem Herzen umgehen zu können. Einzig der Doktor wagt auch nach der Pause nicht den Aufstieg, der den Fall bedeuten könnte. Er hat seinen klaren Standpunkt. Er macht nicht mit bei diesem Lügenspiel mit den Gefühlen anderer. Aber auch Genia turnt irgendwann mit auf dem Sofaberg. Endlich hat auch sie eine Affäre, die sich ihr Mann immer gewünscht hat, damit sie ihm menschlicher erscheinen würde. Doch zum ersten Mal reagieren Friedrichs Gefühle nicht so wie vom ihm geplant.
Arthur Schnitzlers Stück beschreibt „das weite Land“ der Seele in der Landschaftsregion der Beziehungen. Es ist ein psychologisch genau betrachtender und analysierender Blick, den er auf die Menschen wirft. Jette Steckel folgt ihm in aller Konsequenz mit einer sezierender Ruhe und konzentrierten Schnörkellosigkeit, die man von ihr vorher noch kaum gesehen hat. Zu Recht: Ihr gelingt eine unaufgeregte Übertragung aufs Heute, auch weil sie hervorragende Schauspieler dafür zur Verfügung hat, die auch jede Gefühlsregung spielen können, die Schnitzler wohlmöglich mitgedacht, aber in nicht in ihrem Text aufgeschrieben hat.
Birgit Schmalmack vom 16.4.15

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