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Tartuffe Superstar
In einem kleinen goldenen Kasten hat sich der wohlhabende Orgon (Ingo Hülsmann) sein Leben mit seiner Familie eingerichtet. Hoch über dem Boden schwebt er, abgehoben vom Rest der Welt. Kräftig wird diese wohlbehütete, abgeschottete Welt jedoch von seinem derzeitigen Gast Tartuffe (Lars Eidinger) durchgeschüttelt werden. Schon dessen erster Auftritt macht klar, dass er unterwegs auf großer Mission ist. Er lässt Predigten auf seine Zuhörer herniederprasseln, die von Tod, Verdammung und Höllenqualen künden, wenn der rechte Weg nicht eingeschlagen werde. Mit strähnigen Haar, löcherigen Socken und bloßem Oberkörper ist der anscheinend völlig uneitle Seelenfänger unterwegs. Doch seine Show ist gut durchgestylt. Jedes Detail ist auf größtmöglichen Effekt getrimmt.
Demgegenüber nimmt sich die Familie Orgon wie ein Haufen grenzdebiler Deppen aus, die als Untote mal kurz zum Leben erweckt werden, wenn sie etwas sagen sollen.
In Molieres Komödie ist Tartuffe klar der Heuchler, der nur zu seinem eigenen Vorteil verführt. Bei Thalheimer scheint er dagegen der einzige Hellgesichtige. zu sein, der noch aus Fleisch und Blut ist, wie er Frau Orgon gegenüber bekennt, als er ihr seine Leidenschaft gesteht. Lars Eidinger macht ihn zum Popstar, der auf Seelenfängertour unterwegs ist.
Wie leicht die Menschen zu verführen sind, wie gerne sie zwielichtigen Predigern glauben wollen, auch wenn sie ahnen, dass sie gerade hereingelegt werden, dieser Frage wollte Thalheimer nachgehen. Doch wenn er die Komödie gegen den Strich liest, geht das nicht ohne Verluste vonstatten. Eine Komödie auf das Existentielle einzudampfen ohne die Figuren zu verraten, wie er das so versiert bei den Dramen macht, ist schwer. Dafür er nimmt er die Spannung aus jeder möglichen Entwicklung der Geschichte, wenn er kurzerhand alle Figuren außer Tartuffe zu blutleeren Zombies erklärt. Sie grimassieren ständig, führen Verrenkungen vor, reden in Comicstimmen – kurz, sie sind nicht ernst zu nehmen und können mit dem Verständnis der Zuschauer nicht rechnen. Damit wird aber auch der Komödie das Blut ausgesaugt. Das Gelächter wabert zwar in hohen Wellen durch den Zuschauerraum, während auf der Bühne der Slapstik und der Klamauk regiert. Das ist bei Thalheimer natürlich nur zur Steigerung der Fallhöhe gedacht, wenn der Bühnenkasten erst ins Rutschen und dann ins Routieren gerät. Die Figuren purzeln wie Puppen von einer Ecke in die andere, während Tartuffe locker wie Jesus über das Wasser über die Menschen von einer Wand zu anderen schreitet. Diese Menschen haben das Betrogenwerden und kein Happy-End wie bei Moliere verdient.
Birgit Schmalmack vom 20.10.14
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