Wir leben noch!
Wie überleben Frauen Massenvergewaltigungen? Wie gehen sie mit der Tatsache um, dass sie davon schwanger geworden sind? Was empfinden sie gegenüber dem Kind, wenn der Vater der Mörder ihrer eigenen Familie ist? Wie werden sie die Frucht ihrer totalen Erniedrigung behandeln, die sie neun Monate austragen müssen? Diesen Fragen widmet sich die Performerin und Sängerin Dorothée Munyaneza . Sie sprach dafür mit Frauen, die in Ruanda Opfer des Genozids an den Tutsis wurden. Ihre Stimmen macht sie hörbar in ihrer Performance „Unwanted“. Und die ihrer Kinder. Während die Interviewaufzeichnungen abgespielt werden, übersetzt sie am Mikro auf Englisch. Zusammen mit der Musikerin Holland Andrews findet sie zarte aber auch schmerzende Töne und Bilder, die die unerträgliche Not der Frauen erfühlbar machen. Während Andrews an der Klarinette Klänge zu dem Leid der Frauen hervorbringt, kratzt Munyaneza hörbar das Bild einer Frau von den Überklebungen frei, das auf einer Wellblechsäule gesprayt auf der Bühne steht. Sie reißt das Papier herunter und macht die Frau wieder sichtbar. Das Papierfetzen dreht sie zu großen und kleinen Blumen, die sie anschließend mit einem dicken Holzstab niederknüppelt. Besonders eindrucksvoll auch die Szene, als die beiden Frauen nebeneinander in das Maniokfaß stoßen. Gleichzeitig wird die Gewalt, die den Frauen erleiden mussten, deutlich und die Kraft der Frauen, die sie aus dem gemeinsamen Rhythmus finden. Ihr Lied, das sie dabei singen, ist zugleich ihr Statement: „Wir sind nicht tot“. Munyaneza ist ein Abend für die Würde der Frauen gelungen. Er steht für die Gewalt speziell an Frauen, die in Kriegen mit ihrem Körper der Gewalt noch schutzloser ausgeliefert sind als die Männer. Wie sie diese Gewalt überleben können, deutet dieser Abend auch an. Mit sparsamen Mitteln, die sich zwar der Emotionserzeugung bedienen, aber immer wohl dosiert. Ihre musikalischen und tänzerischen und bildnerischen Mittel sind klar, dezidiert, reduziert und deutlich gesetzt. Viel Applaus für die Arbeit. Birgit Schmalmack vom 25.8.17
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