Das Ding, Deutsches Theater

Zur Kritik von

Taz 
BLN 
 


Das Ding


Flauschig, fetzig, fantastisch!

Man sieht nichts außer Bergen von Baumwollflocken auf der Bühne. Doch man hört etwas. Mit zarter Stimme spricht „Das Ding“. Es beschreibt seinen jetzigen Aufenthaltsort. Es verrät, dass einen Kern habe, den sein flauschiges Äußeres umschließe. Nur ein Vibrieren der Flocken verrät, von wo die Stimme kommen könnte. Doch noch bleibt es verborgen.
Da taucht das ziemliche verliebte Paar Thomas (Aram Tafreshian) und Katrin (Iris Becher) aus den weißen Flauschbergen auf und erinnert sich an seine Anfänge. Erste Kabbeleien deuten bereits spätere Auseinandersetzungen an. Dann streckt Patrick (Christoph Franken) seinen hochroten Kopf heraus. Er ist ganz plötzlich durch ein Foto, das er mit ganz unbedarft mit 17 geschossen hat, zu unerwartetem künstlerischen Ruhm gekommen und soll nun auf seiner Ausstellungstournee den Journalisten (Moritz Peschke) Rede und Antwort stehen. Dann schälen sich der Entwicklungshelfer Beat (Pascal Houdus) und sein afrikanischer Freund und Mitarbeiter auf der Baumwollfarm Siwa (Kilian Ponert) heraus. Sie versuchen mit selbstvermarkteter Biobaumwolle den Samen- und Düngerfirmen ein Schnäppchen zu schlagen. Und schließlich auch die beiden Chinesen Wang und Li: Sie bauen gerade ein Internet-Handelsunternehmen mit Baumwolle, Soja und Hausmeistern auf.
Wie alle diese Puzzleteile sich zu einer Geschichte zusammenfügen, erschließt sich ebenso überraschend wie das Auftauchen der Figuren in dem grandiosen Bühnenbild von Kristel Bergmann. Das Ding wird auf eine Reise um die globalisierte Wirtschaftswelt geschickt. Es wird aus seinem Kokon gezupft und in einer Live-Körper-Maschinenstraße versponnen. Als T-Shirt darf die hoffnungsvolle und rabiat beendete Karriere von Patrick als Fußballstar begleiten.
Die jungen Schauspieler gehen dabei mit genau der richtigen Mischung aus Ernst und Witz, Zartheit und Gewalt, Ironie und Verspieltheit vor, die dieses Stück von Philipp Löhle braucht, um seinen vollen Charme zu entwickeln. Toll dass die spitzenmäßige Olivia Gräser das Ensemble der hervorragenden Schauspielstudenten erweiterte und „das Ding“ spielte. Sie macht das mit einer kindlichen Unschuld und Naivität, die genau zu den Überlegungen der unerfahrenen Baumwollflocke passt, die sich auf eine große Entwicklungstour begibt und dabei ihre Neugier und Optimismus nie verliert.
Löhle erzählt dabei aber viel mehr: Er beleuchtet en passant globalisierte Produktions- und Handelsbedingungen, die sowohl Ausbeutung wie Aufschwung für neu dazugekommene global player bedeuten können. Ein wahnsinnig toller mitreißender Abend unter der Regie von Daniela Löffler in der Box des Deutschen Theaters, den man sich auf keinen Fall entgehen lassen sollte.
Birgit Schmalmack vom 15.10.12



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