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Abbildung: Endsieg, DSH - Thomas Aurin
Nun sind sie wahr geworden. Im doppelten Sinne: Die Befürchtungen der Einen, dass Trump Präsident werden könnte und die Hoffnungen der Anderen, dass ihr Heilsbringer nun doch an die Macht kommt. Doch er erhält in Jelineks neuer Reflektion (nach "Königsweg" von vor acht Jahren) über die gewonnene Wahl Trumps nicht nur die Krone aufgesetzt sondern wird hier zum Heiland auf den Altar gehoben. Das Podest, von dem aus er seine sich ständig im Kreis drehenden Reden schwingen darf, wird zur Abendmahlstafel, an dem seine Jünger mit ihm Platz nehmen dürfen. Wenn sie nicht gerade in Anbetung vor ihm hernieder sinken. Nur zwei Wochen nach Trumps Wiederwahl hat Elfriede Jelinek einen Text dazu veröffentlicht. Und vier Wochen später hat Regisseur Falk Richter, der auch schon ihr Vorgängerstück im Schauspielhaus auf die Bühne gebracht hat, dazu eine Inszenierung gewagt. Er spielt dieses Mal mit der Unfertigkeit und dem Skizzenhaften und findet dennoch immer wieder mit dem tollen Ensemble (Sandra Gerling, Josefine Israel, Christoph Jöde) ausdrucksstarke Bilder. Wenn Micro Kreibich als Trump mit wilder Blondmähne, aber sonnengebräunter Stirnattrappe, am Kanzelpult vom ewigen Frieden in Endlosschleife spricht, versucht Mehmet Ateşçi das riesige Holzkreuz, das er schräg hinter ihm in die Höhe reckt, nicht auf ihn herunterkrachen zu lassen. Unter dem weißen Kreuzigungshemd zieht Kreibisch am Schluss eine Maschinenpistole hervor. So sieht seine Art von Frieden aus.
Hinter ihnen auf der Leinwand erscheint passend dazu eine Flagge mit einem alles überwachenden Auge, um das Golfschläger, Raketen, Schuhe und Feuer kreisen. So könnte das neue Amerika aussehen. Denn Trump hat die Menschen in ihrem Innersten erkannt, er hat sich sogar die vorgemerkt, die sich gegen ihn positioniert haben. Doch Trump weiß sein Wahlvolk zu nehmen. Er kann Tik-Tok-Trends setzen. Ausgerechnet zum Song "YMCA" erfand er seinen Faustschunkeltanz, der viral ging, zum Volkstanz wurde und dessen Energie das Publikum im Schauspielhaus mit der Anleitung von Frank Willens am eigenen Leibe nachspüren durfte. Denn schließlich soll dieser Nachfolger von Jesus uns wieder groß machen, so sein Heilsversprechen.
Dabei ist er unsterblich, anders als der erste Messias. Er ist einem Mordanschlag entkommen. Er reckte die Faust in die Höhe, nachdem ihn eine Kugel am Ohr gestreift hatte. Immer wieder nimmt Jelinek auf diese Szene in ihrem Text Bezug. Er wird nicht hingerichtet, er wird zum Retter der Nation werden. So ist ihm die Verehrung seines Volkes gewiss. Da hilft auch Julia Wieninger als Warnerin nichts, denn diese Seherin sieht nichts mehr. So konstatiert Jelinek in diesem Text mehr als das sie zum Widerstand aufruft. Ihre ihre Sätze antreibende und hochspulende Wut scheint verbraucht und einer Resignation gewichen. Auch dazu passt der sakrale Grundton dieser Inszenierung. Denn eine Religion kennt keine Demokratie mehr, sie kennt nur noch die klare Unterscheidung in Gläubige und Ungläubige, in Wahrheit und Unwahrheit, in Gott und Teufel. Doch was und wer auf welche Seite gehört, ist schon entschieden.. Wo das bühnengroße Kreuz über allem schwebt, auch über den zahlreichen, blitzschnellen Einblendungen aus amerikanischen Social-Media-Kanälen, die über die großen und die kleinen Leinwände flimmern, ist Diskursivität nicht mehr gefragt.
Es ist ein für Jelinek ungewöhnlicher Abend geworden: erstens nur 90 Minuten kurz, zweitens auffallend wenig von ihren sonst üblichen Sprachspielen durchzogen und drittens mehr satirisch beschreibend als aufrüttelnd. Falk Richter folgt der Autorin, indem er das Motiv der religiösen Überhöhung bildlich und choreographisch zum zentralen Mittel seiner Inszenierung macht. So wird dieses zur Klammer für den eher kaleidoskopartigen, essayistischen Text, der die Wahl dieses Möchtegern-Gottes mit teuflischen An- und Absichten aus immer neuen Perspektiven in den Blick zu nehmen versucht. So brandaktuell kann Theater manchmal sein.
Birgit Schmalmack vom 7.1.24
Abbildung: Endsieg, Schauspielhaus - Thomas Aurin