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Da stehen sie zu Beginn hinter der transparenten Folie und sind noch anonyme Masse, aus der nur ihre Stimmen herausklingen. Egal ob Erzieherin, Schauspieler, Soldat, Reservist, Grenzhelfer oder Mutter, alle eint die Vorstellung: Ich kann nichts dafür, ich kann nichts ändern, nur Putin hat diesen Krieg befohlen.
Dann fallen die Folien und die Menschen dahinter mit ihren Geschichten kommen zum Vorschein. Im Mittelpunkt stehen ein Pharmareferent, eine Künstlerin und ein Schauspieler, die sich lange nicht getroffen haben. Ein gemütliches Abendessen soll es werden, mit mehreren Flaschen Wodka. Trotz der Verabredung, dass der Krieg diesen Abend kein Thema sein soll, können sie sich keine Minute daran halten. Denn das gelingt nach über einem Jahr Spezialoperation nicht mehr. Immer wieder schleicht sich dieses Thema hinterrücks in all ihre Gespräche. Obwohl oder gerade weil sie sich alle damit eingerichtet haben. Obwohl sie eigentlich gegen den Krieg sind. Aber was könnten sie schon dagegen tun? Da hilft nur die nächste Runde der kleinen Gläser mit der klaren Flüssigkeit.
In diese Hauptgeschichte mischen sich Szenen, die schlaglichtartig weitere Aspekte beleuchten. Ein Journalist interviewt eine Ehefrau und Mutter, eine Patriotin, die hinter dem Krieg steht. Sie weiß aus den Medien, dass Putin die Ukrainer vor den Nazis retten will, dass ihre russischen Jungs gute Menschen sind, die den Ukrainern helfen wollen, und dass der Westen Russland zerstören will. Doch ihr Sohn ist an der Front, der Kontakt zu ihm ist abgebrochen und allmählich machen sich kleine Zweifel bemerkbar. Eine Gruppe Oppositioneller tackert Rahmen für Transparente zusammen. Sie werden leer bleiben, denn Demonstrieren bringt nichts mehr. Höchstens die Verhaftung. Dazwischen werden Filmaufnahmen aus dem russischen Fernsehen geschnitten. Da werden Ruhmesreden auf neue Waffenentwicklungen geschwungen, die um die ganze Erde fliegen können. Da sind Kinder zu sehen, die zu guten Patrioten erzogen werden. Da werden Volksliederabende übertragen, die das Bild vom großen, guten Russland feiern. In einem weiteren Filmeinspieler sind auch Russen und Russinnen aus Berlin zu sehen und hören, die voll hinter Putin und dem Krieg stehen.
Der Titel des Stückes ist eine klare Referenz an ein anderes Theaterstück in Berlin: "Ich bin's nicht, Adolf Hitler ist es gewesen!" So lautet der Titel eines Theaterstücks von Hermann van Harten, das seit 1984 gespielt wird. Das Team des halb dokumentarischen und halb fiktionalen Theaterabends, der diese Prämisse nun auf die russischen Verhältnisse zu übertragen versucht, besteht aus Schauspieler:innen ( Irina Fedorovа, Grigory Kofman, Eugen Knecht, Alexander Schulz, Maria Zhark) mit russischen Wurzeln, die in Berlin leben. Sie haben mit ihrem Theaterprojekt unter der Regie von Grigory Kofman, das schon im letzten August eine erste Premiere hatte, ein Zeichen setzen wollen. Gegen den Krieg, aber auch für ein Verständnis der Entwicklungen in der derzeitigen russischen Bevölkerung. Nicht durch bildgewaltige Panoramareiseberichte durch dieses große rätselhafte Land, sondern mit Einblicken in die Gesellschaft, wie sie sich in Russland unter dem Regime von Putin entwickelt hat. Es wurde ein sehr eindrücklicher, höchst spannender Abend, der weitaus vielschichtiger war, als der Titel es vermuten ließ. Eine wertvolle Arbeit, deren Aspekte noch lange nachhallen.
Birgit Schmalmack vom 1.11.23
Abbildung: Ich bin's nicht, Wladimir Putin ist es gewesen, - Foto: Promo
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