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Nur einzeln dürfen die Zuschauer:innen in den Theaterraum eintreten. Schließlich betreten sie die Hölle, wie Intendantin Francoise Hüsges am Eingang schmunzelnd verrät. Einzeln schreiten sie zu ihrem Platz, nachdem zuvor eines ihrer Augen abgefilmt wurde. Denn um den Blick der Anderen geht es hier, in dieser ganz besonderen Form der Hölle, die Jean Paul Sartres ersonnen hat. Hier gibt es kein Höllenfeuer, keine Daumenschrauben, kein Gift, nur zwei weitere Menschen. Denn "die Hölle, das sind die Anderen", so seine Erkenntnis.
Das Kollektiv frau emma gelb (Regie und Konzept: Amelie Möller, Meike Krämer) hat einen Laufsteg (Bühne: Francoise Hüsges) in die Mitte zwischen den beiden Publikumsreihen gestellt. So sind die Schauspielerinnen stets den Blicken aller ausgesetzt, während sie versuchen, ihre neue Situation an diesem Unort zu erfassen. Zu dritt sind sie in diesem überaus heißen Raum eingesperrt, für immer, ohne Pausen, ohne Schlaf, ja ohne Augenzwinkern. Kein Entrinnen vor dem anderen, nie. Das ist also ihre Strafe für ihr Handeln zu Lebenszeiten. Jede:r von ihnen weiß: Auch das Gegenüber muss etwas auf dem Kerbholz haben, Gutmenschentum wird man hier vergeblich suchen. Diese drei Charaktere befinden sich in einem unendlichen Teufelskreis aus Schuld, Verurteilung und Unaufrichtigkeit und sind gezwungen, einander ihre Sünden und dunklen Seiten zu offenbaren, während sie gleichzeitig versuchen, sich selbst vor den anderen zu verbergen.
An diesem Ort hat man keine Wahl, man muss man sich diesem Anderen stellen. Darin besteht die einzige Chance zu eigenen Erkennen. Denn der Mensch sieht und erfährt sich erst in seinem Gegenüber, das ihn ansieht. In der Pupille des Anderen spiegelt sich das eigene Selbst. Oder als Zitat von Sartre: "Ich erblick den anderen Menschen und stelle fest, dass er mich erblickt. Ich bin also Subjekt und mache die Erfahrung, dass ich für den Anderen zunächst ein Objekt bin. Der Andere bestätigt mich - er blickt mich an - und verunsichert mich - er macht mich zum Objekt. Aus dieser Spannung heraus entwickelt sich mein Menschsein."
An diesem Selbsterfahrungsspiel dürfen auch die Zuschauer:innen im Monsuntheater teilnehmen. Zum einen gibt es an diesem Abend nur zwei Schauspielerinnen (Hanni Lorenz, Marie-Paulina Schendel) auf dem Laufsteg, ihr drittes stummes Gegenüber sitzt auf den Zuschauerreihen. Ihre instabile, unkomfortable Dreierkonstellation wechselt ständig, nicht nur die Rollen. Das Publikum wird zu einem Teil davon. Zudem werden immer wieder drei Nummern aufgerufen und die Zuschauenden mit den dazugehörigen Sitzplätzen nehmen an einer Schreibstation Platz. Dort dürfen sie ins Nachdenken kommen: Was sind Sie, wenn Sie niemand ansieht? Was denken Sie, denken die Anderen? Welche Macht haben die Blicke der Anderen über Sie? An zwei Stellen des Abends werden ein paar der Antwortkarten vorgelesen, die übrigen kann nach später mithilfe eines QR-Codes nachlesen. Währenddessen versucht einen die wohlklingende Live-Musik von Toni Laut und Friedemann einzulullen. Die Sängerin singt von Erkennen, Vergessen und Verlieren. Die Hölle ist eben etwas Anderes, als wir gemeinhin denken.
So durfte das Publikum dieses Mal einen spannenden, konzeptuell stringenten und erkenntnisreichen Abend nicht nur sehen und hören, sondern wahrhaftig miterleben.
Birgit Schmalmack vom 3.11.23
Abbildung: Geschlossene Gesellschaft, Monsun - © G2 Baraniak
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