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Tanz auf dem Vulkan
Die Mächtigen vergnügen sich in einem Wellnesshotel. In weißen Luxusbademänteln mit goldenen Fransen und aufgestickten Wappen trinken sie Champagner, flirten, tanzen lassen sich frisieren und schmieden nebenbei ihre Netzwerke. Doch es ist ein Tanz auf dem Vulkan. Denn dieses Hotel könnte auch ein Kreuzfahrtschiff sein, das einer von ihnen – Winston Churchill – heimlich schon mit Waffen bestückt und zu einem Kriegsschiff umgerüstet hat. Denn es ist der Sommer 14. Jetzt entscheidet sich, ob es zum ersten Weltkrieg kommt oder nicht. Denn die Todesschüsse von Sarajewo waren keineswegs der Auslöser sondern allenfalls der Vorwand, um den Krieg auszurufen. Jeder der Machthaber verfolgt dabei seine eigenen Strategien.
Rolf Hochhuth versucht sie in seinem Stück „Sommer 14“, für das er nun endlich das Berliner Ensemble in der Sommerpause nutzen durfte, getreulich nachzuzeichnen. Der schlaue Kriegstreiber Churchill, der trottelige Kaiser Franz Joseph (Ottfried Fischer), der diplomatische König Edward VII, die Militärstrategen Tirpitz (Rüdiger Joswig) und Molkte, der schwächliche Kaiser Wilhelm (Mathieu Carrière), die stolze russische Großfürstin (Caroline Beil), der französische friedensbewegte Sozialdemokrat, das deutsche Wissenschaftlerehepaar – alle kreisen um ihre eigenen Vorstellungen und versuchen die anderen für ihre Ziele einzuspannen. Die Menschen werden zum Material degradiert, das zu deren Erreichung legitimer Weise einzusetzen ist. Der Monolog eines Gefallenen (iTimothy Stachelhaus) in heutiger Kleidung mahnt dann auch am Schluss: „Gehorcht nicht!“.
Eingerahmt wird das geschichtliche Drama durch Auftritte des Tods (Diana Körner), des Technikers Daidalos (Vitesha Benda) und den Kentaur Nessos (Kathrin Höhne). Wer trägt die Schuld an dem Ausbrechen von Kriegen? Wer hat Blut an den Händen? Sollte der Tod nicht durch gezieltes Ausschalten der Verantwortlichen Kriege zu verhindern wissen? Machen die Erfinder nicht erst mit ihrer Technik die gezielte Tötung von Menschen in Kriegen möglich? Der Kentaur ist hier eine schöne Frau, die nur mit Schlamm bekleidet ist.
Der Moralist Hochhuth arbeitet sich in „Sommer 14“ durch die Geschichte. Dem Pazifisten geht es um klare Botschaften. Regisseur Torsten Münchow tut dagegen sein Möglichstes um den Unterhaltungswert des Stückes zu erhöhen. Er nutzt das vordergründig schöne, hohle Ambiente der weißen, gläsernen Wellness- und Partylandschaft auf der Bühne, um die Fallhöhe zu steigern. Das erzeugt zwar noch keinen wirklich spannenden Theaterabend, denn nur zwei Szenen vermögen wirklich zu berühren. Wenn die mit der Lucitania Untergegangene von ihrem langsamen Tod berichtet und wenn der Gefallene seinen Appell an die Gesellschaft richtet. Dann ist die Dringlichkeit zu spüren, die wahre Spannung erzeugt.
Hochhuth gab vor der Premiere bekannt, dass er mit dieser Regiearbeit nicht zufrieden sei. Münchow habe die Herrschenden zu lächerlichen Figuren in offenen Bademänteln verkommen lassen. Das stimmt nicht: Genau diese Neusetzung versucht diesem lehrbuchhaften Stück erst die Zwischentöne, Irritationen und Widersprüche einzuhauchen, die es zum Leben braucht.
Birgit Schmalmack vom 2.8.14
Abbildung: Rolf Hochhuth - Sommer 14 im Berliner Ensemble
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