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GÖKSU KUNAK An(a)kara, Sophiensäle

Wie bewegt sich ein Monument?


Eine Person in weißer Unterwäsche liegt auf dem Boden, ihre rotbestrumpften Beine hat sie an der Wand in die Höhe gestreckt. Wie müde Zeiger einer Uhr rutschen sie immer weiter nach unten, bis sie auf dem Boden landen. Eine Kopfdrehung später wird das Publikum angestrahlt. Dieses Lachen wird die Performerin Gökzu Kunak im Laufe des Abends noch öfter aufsetzen und damit eine typisch weibliche Verhaltensweise demonstrieren um sie gleich danach wirkungsvoll zu dekonstruieren.

"Vom kranken Mann zum neuen Mann" am Bosporus soll sich die Türkei entwickeln. Wie soll dieser neue Mann aussehen? Der Grad der Verwestlichung will sorgsam ausbalanciert werden. Die „natürlich zensierten“ Medien unterstützen dies nach Kräften. Mit einer täglichen Dosis an Tipps und Ratschlägen auch für die "Neue Frau" wollen sie die Modernisierung des Landes vorantreiben. Schließlich gilt die zukünftige Mutter der Nation zu kreieren. Mit Kopftuch, aber straffen Bauch, betend aber mit kleiner Nase und wohlgeformtem Po, modern und jungfräulich.

Das und vieles mehr fragt sich die Performerin auf der Bühne der Sophiensäle bei ihrer Show "An(a)kara", ein Wortspiel aus dem Namen der Hauptstadt und dem türkischen Begriff für „Mutterland“. Es ist eine bespielbare Bühneninstallationen voller Anspielungen auf die Zeitumstände, denen sich junge Generationen in der Türkei konfrontiert sehen. Im Stile von Beiträgen für eine dieser Frühstücksfernsehsendungen serviert Gökzu in bedächtigem Zeitlupentempo ihre Beobachtungsschnipsel, die sich allmählich zu einem Mosaik zusammensetzen, das beileibe nicht nur auf die Türkei passt. Es ist eine Frage nach den Rollenbildern, die eine Gesellschaft für sich definiert oder eben definiert bekommt, ob nun von der Regierung oder von den Medien. Die Arbeit beeindruckt durch ihre klaren Setzung, ihre zahlreichen Referenzen und ihren vielschichtigen theoretischen Hintergrund. Wie bewegt sich ein Monument? So fragt sie sich irgendwann im Laufe des Abends. Vielleicht so: Auf durchsichtigen Plastik-Highheels, in Männerunterhose, mit Bauchkorsett, nackten Brüsten und vollverschleierten Kopf. Zum Schluss verteilt Gökzu nach altem Brauch und als gute Gastgeberin Rosenwasser an das Publikum. Und dann ist die Bühneninstallation für jeden freigegeben. Leider ohne den beeindruckendsten Teil davon, nämlich Gökzu selbst.

Birgit Schmalmack vom 22.7.21

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