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Nach dem Kuss, Globe Berlin

Nach dem Kuss, Globe Berlin



Wo bleibt die Würde?

Klein-Heike (Anja Lechle) wünscht sich nach 15 Jahren Ehe mal wieder ein Gespräch von Rübenack (Uwe Neumann). Doch ihr Mann findet, dass ihr so viel Beachtung nicht zusteht. Schließlich legt er sich den ganzen Tag für sie bei Siemens krumm und sie schlurft währenddessen nur in ihren Gucci-Schlappen herum und belohnt ihn weder mit einem grandiosen Aussehen noch mit handgemachten Markklößchen. Statt der Würde, die sie einfordert, erntet sie also nur Beleidigungen der übelsten Sorte.
Nach diesem Ritual machen sie sich anlässlich von Robbis (Ted Siegert) dreißigstem Geburtstags in ihre Stammkneipe auf. Dort treffen auf die Übrigen ihres desillusionierten, "abgewichsten" Bekanntenkreises. Der einzige unter ihnen, der nicht von der Sozialhilfe lebt, ist neben dem Ehemann der Kneipeninhaber Majo (Andreas Uehlen). Alle anderen schütten ihr Nichtsnutzigkeit mit viel Alkohol zu. Der sturzbesoffene Robbi, seine Freundin Reni (Johanna Pliege), der "gute Freund" Dieter (Mick Morris Mehnert) und der Kumpel Andy (Sebastian von Malfer) halten sich in ihrem gegenseitigen Unglück fest und geben sich gleichzeitig Halt.
Wenn alle unglücklich sind, ist das Unglück leichter zu erraten, erklärt dies später der Hobbyphilosoph Majo.
Doch genau ist ihnen nicht vergönnt. Eine "Parade von Engeln" erscheint, als Robbis ukrainisches Geburtstagsgeschenk Jule (Magdalena Thalmann) auftritt und Robbi aus seinem Alk-Koma erwacht. Die Liebe schlägt ein. Schlagartig ist Reni vergessen und Robbi mobilisiert alle seine Kräfte, um Jule für sich zu gewinnen. Wider Erwarten erhört sie ihn. Majo überzeugt gleichzeitig ihre Schwester Alex, die mit einer Kalaschnikow bei ihm auftaucht, um ihre Schwester vor der vermeintlichen Prostitution zu retten, davon dass er ein guter deutscher Mann ist.
Heike erkennt schlagartig, dass Glück möglich ist und trennt sich von ihrem Mann, der ihr mal wieder ein blaues Auge verpasst hat. Sie will eine Wahl haben dürfen. Würde muss doch möglich sein, auch für sie.
Auch wenn der Container, in dem Jule und ihre Schwester wohnen, für kurze Zeit für die beiden neuen Liebespaare in rosarotes Licht getaucht ist, ist schnell klar, dass dieses Glück nur von kurzer Dauer sein wird. Ausgerechnet das Paar, das sich nichts ersparte, wird am Ende einträchtig beieinander sitzen. Heike und Rübenack werden zusammen all die Gräber von denjenigen pflegen, die diese unerhörte Glückssuche nicht überlebt haben.
Autor Oliver Bukowski erspart sich, den Schauspieler und den Zuschauern nichts. Er wird seinem Image gerecht und die wüsten Beschimpfungen, abgründigen Beleidigungen und exzessiven Kotzereien nehmen ihren Lauf. Manchen im Zuschauerrund des Globe Berlin wurde dies in der ersten Hälfte zuviel. Nach der Pause blieben ein paar Plätze in dem ausverkauften Openair-Theater frei. Leider! Sie verpassen all die die stillen Momente der Sehnsüchte, der Ängste, die Widersprüche, die die Personen dieser tragischen Absteiger-Komödie unter ihren harten Oberfläche verstecken und in der zweiten Hälfte offenbaren. Sie verpassen die zweiten Hälfte, in der Bukowski all diese genau beobachteten Schicksale überraschend bricht und ihre Entwicklung nicht nur einmal wendet.
Das tolle Ensemble unter der Regie Anselm Lipgens arbeitet sowohl die drastischen Ausbrüche wie zarten Untertöne wunderbar heraus. Das ist ein Abend, bei dem es sich auf jeden Fall lohnt, hinzugehen und bis zum Ende zu bleiben. Keine seichte Unterhaltungskost sondern ein Theaterabend mit Tiefgang, bei dem das Lachen eher im Halse stecken bleibt!
Birgit Schmalmack vom 25.7.19

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