Radikal, Maxim Gorki Theater

Zur Kritik von

spiegel-online 
kulturradio rbb 
tagesspiegel 
nachtkritik 


Radikal

Filmreif

Wer einen verwickelten Agenten-Thriller an der Nahtstelle zwischen islamistischer und rechter Terrorszene sehen will, sollte dieses Mal nicht ins Kino sondern ins Maxim Gorki Theater gehen. Die Regisseurin Anna Bergmann hat den Roman „Radikal“ von Yassin Musharbash auf die Bühne gebracht. Dabei hat sie mit Knalleffekten, Filmmusiken und Videoeinspielungen viele Anleihen beim Film gemacht. So kann man fast vergessen, dass man ins Theater gegangen ist.
Der sympathische Ägypter Latif will sich als Abgeordneter für Deutschland engagieren. Davon tönte schon im Theater-Foyer sein Wahlkampfspot. Doch dazu soll es soll es nicht mehr kommen. Bei einem gezielten Bombenanschlag wird er zusammen mit 13 anderen Opfern getötet. Der junge Islamwissenschaftler Samuel Sonntag (hervorragend: Holger Stockhaus) wird Zeuge des Attentats. Zunächst vermutet er die Täter bei Al-Qaida. Doch dann gerät die ultrarechten Islamhasserszene in sein Visier. Er wird er zum V-Mann beim „Karl Martell Komando“. Ein gefährliches Spiel!
Wie Samuel zwischen die Fronten gerät, scheut vor keinerlei Anklängen zum gängigen Thrillerrepertoire zurück. Sex, Liebe, Erotik, Geld, Blut und Macht sind die bewährten Zutaten, auf die auch hier zurückgegriffen wird.
Im Maxim Gorki dreht sich unablässig die Bühne und gibt immer wieder neue Drehräume, in der die Digitalkamera ihre Bilder zur Projektion findet, frei. Alles ist handwerklich sehr gut gemacht und auch das Timing stimmt wunderbar. Die Schauspieler bewähren sich auch als Filmdarsteller. Dabei ist alles ebenso spannend wie vorhersehbar.
So macht sich eine gewisse Enttäuschung breit: Hat man sich deshalb ins Theater begeben, um einen Kinothriller vorgeführt zu bekommen? Entsprechend ist die Aussage am Schluss nicht nur für die Freundin Samuels Sumaya (Pegah Ferydoni ) enttäuschend: Der Attentäter ist enttarnt, aber für welche Seite- ob für Al Qaida oder für die Ultras - er agierte, lässt sich nicht mehr erkennen. Zu sehr haben sich die beiden Szenen im gegenseitigen Verwirrspiel der Identitäten verwoben. Nach den Gründen für den Terror sucht dieses Stück gar nicht erst, weil zum Schluss alles in einen Topf geworfen wird. Als Kinofilmstoff tauglich, aber für ein Theaterstück doch zu dürftig.
Birgit Schmalmack vom 17.10.12



Kriegsbraut, Heimathafen
Sein oder Nichtsein, Gorki

Druckbare Version