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Georges studiert auf Lehramt. Dabei hätte er so gerne das Theater zu seinem Beruf gemacht. Nachdem er jedoch den griechischen Aktivisten Samuel getroffen hat, weiß er, wie er der Bühne weiterhin treu bleiben kann: Er macht fortan mit ihm politisches Theater auf Demos, auf öffentlichen Plätzen und in Kulturzentren. Als Sam sterbenskrank wird, verspricht Georges ihm, dass er sein derzeitiges Projekt zu Ende führen wird. Sam hat schon alle Vorbereitungen getroffen, im Libanon der 1980er Jahre die Antigone aufzuführen, mit Vertretern aller verschiedenen im Bürgerkrieg liegenden Gruppen als Schauspieler:innen. So fliegt der Franzose Georges, der bisher nur einmal im Schwarzwald war, in den Libanon. Völlig unvorbereitet, trifft er auf eine komplett verfeindete Gesellschaft. Alleine schon mit den fünf verschiedenen Passierscheinen zu jonglieren, die er an jedem der Checkpoints vorweisen muss, kann tödlich enden. Sollte das Projekt eigentlich zu einer Stunde des Frieden, des Miteinanders und des Verständnisses werden, so muss er bald erkennen, dass er nicht nur sich selbst damit in Gefahr bringt.
Unter der Regie von Suzanne Emond wird aus dem Roman „Die vierte Wand“ von Sorj Chalandon, das nun als Gastspiel aus dem Berliner Theater unterm Dach im Monsuntheater zu sehen war, ein packendes Drama um einen jungen Mann, der mit seinen gutbürgerlichen, wohlmeinenden, gutmenschelnden Absichten nur seine komplette Unwissenheit offenbart, unter der auch noch Reste eines kolonialistischen Gedankenguts durchschimmern. Dabei lässt Regisseurin Emond Georges von drei Männern (Helge Gutbrod, Thorsten Hierse und Florens Schmidt) spielen, die mit ihrem wohl koordinierten, sorgsam choreographierten Körpertheater offenbaren, dass sie von einer Ordnung ausgehen, die den Gegebenheiten im Libanon in keiner Weise gerecht werden kann. Die Milchglaswand hinter ihnen bleibt undurchsichtig. Ein klarer Erkenntnisblick ist ihnen verwehrt. Auf ihr begegnen ihnen die libanesischen Schauspieler:innen, die in alle Rollen des heutigen und antiken Dramas schlüpfen und ihnen immer wieder mit belustigtem Kopfschütteln die Absurdität ihres Projekts vorführen. Emond belässt es durch das dezidiert zurückhaltende Spiel wohltuend im Abstrakten. Jede Gefahr, es in eine realistische Umsetzung abgleiten zu lassen, umgeht sie wohlweislich. Die drei Live-Schauspieler spielen George in jeder Sekunde direkt auf den Punkt. Sie zeigen seine Unsicherheit, seine guten Absichten, seine Überzeugtheit und seine Unbedingtheit, seine Angst und seine naiven Weltrettungswünsche. Und die übergroße Liebe zu seiner Tochter und seiner Frau, die er aber in Frankreich zurücklässt. Denn er kann nicht anders; er muss das Projekt zu Ende führen, auch wenn er mittlerweile schon ahnt, dass er dabei die Sicherheit der vierten Wand des Theaters durchschreiten muss. Eine äußerst sehenswerte Inszenierung eines Stoffes, der in Zeiten, in denen auch in Europa der Krieg immer dichter kommt, nicht aktueller sein könnte.
Birgit Schmalmack vom 17.2.24
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