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Hauptmann von Köpenick, Deutsches Theater

Zur Kritik von

nachtkritik

Der Hauptmann von Köpenick

Zwischen die Mühlsteine der Bürokratie geraten

Wilhelm Voigt (Milan Peschel) schlurft über die leere weiße Bühne. Er klopft an die riesige Tür in der Rückwand. Nach langer Wartezeit wird ihm geöffnet. Doch statt eines Menschen sieht er nur Hochhäuser, die ihm entgegen geschoben werden. Eins nach dem nächsten. Die Häuser der Großstadt Berlin darf er alleine auf der Bühne (Stéphane Laimé) verteilen.
Wilhelm Voigt findet für sich keinen Platz zwischen diesen hohen Häusern, die ihm keine Heimat bieten können. Denn Wilhelm hat keine Papiere. Gerade aus der Plötze entlassen, besitzt er weder eine Aufenthaltsberechtigung noch einen Pass. Damit ist er in einem Teufelskreis gefangen. Ohne Papiere keine Arbeit, ohne Arbeit keine Papiere. Wie die Mühlen der Bürokratie drehen sich bald die Hochhäuser auf der Drehbühne. Zwischen ihnen huscht der schmale Wilhelm völlig verloren hin und her.
Auf seiner verzweifelten Suche nach einem Auskommen für sich, stößt er sich immer wieder die Nase an geschlossenen Ämtertüren, die Dienst nach Vorschrift machen und ihn von Zimmer zu Zimmer schicken. Stets endet seine Suche nach der Legalität da, wo sie begonnen hatte. Er ist und bleibt erfolglos. So versucht er schließlich einen Passdokument zu stehlen, wird wieder gefasst und landet erneut im Gefängnis. Als er es wieder verlässt, schlüpft er bei seiner Schwester (Katrin Wichmann) und ihrem Mann (Felix Goeser) unter, die ihn illegal in ihrem Geschäft arbeiten lassen. Doch dann kommt wieder ein Brief vom Amt: seine Ausweisung. Da kommt er auf völlig verrückte Idee: Er leiht sich eine Uniform aus dem Kostümverleih und übernimmt nur Kraft seiner Kleidung die Herrschaft über das Rathaus Köpenick. Es gelingt: Ohne jede weitere Legitimation gehorchen ihm die Beamten aufs Wort. Er bekommt die Amtskasse überstellt. Doch leider hat er sich das falsche Amt ausgesucht: Hier gibt es keine Passabteilung. So stellt er sich der Polizei unter der Bedingung, dass er nach seiner Entlassung einen Pass bekäme.
Regisseur Jon Bosse durchsetzt die Geschichte um den Hauptmann Köpenick aus den 1930ziger Jahren mit vielen Parallelen in die Jetztzeit. Das gelingt hervorragend, denn sie fügen sich fast nahtlos ein. Auch heute kann ein Mensch schnell in die Mühlen zwischen Fordern und Fördern, zwischen Pfandsammeln und Weiterbildungsgutscheinen, zwischen Aufenthalts- und Arbeitberechtigungsscheinen, zwischen Formularen und Öffnungszeiten, zwischen Anstrengung und Aussortierung geraten. Die zusätzlichen Texte stammen von Armin Petras.
"Das musst du tragen", wird ihm geraten. Das sei er gewohnt, die Frage ist nur wohin?, antwortet er dann. Die Deutschen, denen er begegnet, predigen vom Wert der Ordnung. Doch was geschieht, wenn sie wichtiger ist als die Menschlichkeit?
Zum Schluss wird Wilhelm wieder an eine Tür anklopfen, diesmal an die im eisernen Vorhang des deutschen Theaters. Immer noch ist er ohne Pass, damit ohne Daseinsberechtigung in der deutschen Ordnungsgesellschaft.
Bosse gelingt eine Aktualisierung des Stoffes von Zuckmayer nicht zuletzt dank seines wunderbaren Hauptdarstellers. Dass er die meisten Menschen, denen er begegnet, als Knallchargen des Bürokratie darstellt, erscheint nur konsequent.
Birgit Schmalmack vom 9.10.18
http://www.hamburgtheater.de

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