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Postkindliche Wahrheitssuche
Revolution geht immer. In Zeiten von Occupy werden die 68-Ziger umso interessanter. Schön wenn man auf dementsprechende eigene biographische Kenntnisse zurückgreifen kann. Das kann David Chotjewitz. Ihm ist bewusst: Ein postkindliches Projekt auf der Suche nach der Wahrheit muss immer scheitern, denn die eigene Erinnerung ist zugleich Objekt und Subjekt der Betrachtung.
David Chotjewitz gibt sich im weißen Seidenanzug einen Hauch Glamour. Es geht schließlich auch um seine Abgrenzung zu den Eltern. Er sollte ein wildes freies Kind der Revolution werden und liebte doch eher Massimo statt Celentano. Er sollte Schriftsteller wie sein Vater und sein Großvater werden und verkaufte seinen Laptop und Drucker, um es schließlich doch zu werden.
Die Rekonstruktion einer Kindheit im Umfeld der RAF ist eine aufregende Sache, die selbst dem bürgerlich auftretenden David mit einer revolutionären Aura umgeben kann. So hat er sich für seine künstlerische Annäherung Kollegen auf die Bühne gebeten, die Teile seiner Biographie und seines Vaters für die Bühne umsetzen. Ein intensives Tanztheater von Silvana Cedeno, das mit dem Element Wasser zum Elektroklangteppich von Ted Gaier expressiv Gefühle auszudrücken versuchte, ein kleines Strumpf-Puppentheaterstück von Katharina Oberlik, das brav die distanzierten Telefongespräche zwischen Vater und Sohn nachspielte, ein konzentrierter Monolog des Schauspielers Joachim Kappl, der von frühen Machtfantasien des achtjährigen David berichtete, die dieser zeichnerisch in seinem Schulatlas auslebte, eine Filmcollage über die 68-Ziger von Ted Gaier, die den Zeitgeist gekannt einfing und schließlich ein wortgewaltiger, intelligenter, witziger Vortrag des Dozenten Fahim Amir, der mit Freud, Adorno und Nietzsche den Davidschen Psyche näher zu kommen suchte. Dieser letzte Programmpunkt war ein Höhepunkt - neben dem Gesang von Judith Tellado, die kubanische Revolutionssongs mit wunderbarer variantenreichem Ausdruck darbot.
Zum Schluss der zweiwöchigen Aufführungsserie von Chotjewitz sprengte der Ansturm der Besucher fast die Kapazitäten der Universität der Nachbarschaften in Wilhelmsburg. Doch die Erwartungen auf revolutionäre Erkenntnisse und Anregungen blieb Chotjewitz schuldig: Wenig aufrüttelnde Revolution, viel kindliche Selbstbeschau!
Birgit Schmalmack vom 30.4.12
Abbildung: DAVID CHOTJEWITZ: Narziss und die Revolution - by Kampnagel
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