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Zu Schad, Tonali
A PLACE CALLED HOME, Kampnagel
Ocean cage, Kampnagel
Der eigene Tod, DSH
Gesetze schreddern, Malersaal
Dieser Mann liegt schon am Boden, als das Stück beginnt. Bis auf die Unterhose entblößt, nackt den Zuschaueraugen Preis gegeben. Von ihnen fühlt er sich verfolgt, unsicher wie er ist. "Was schaut ihr mich alle so an?" fragt er immer wieder. Gerne wäre er mehr als er ist. Er ist hin- und her gerissen zwischen seinen Selbstzweifeln und seinem Machtstreben. "Ich will doch einfach nur glücklich sein", bittet er seine Zuhörer:innen um Verständnis. Doch genau das wird er auf keinen Fall werden. Soviel ist schon in den ersten Minuten dieses Abends klar. Denn dieser Macbeth ist von Beginn an eines nicht: ein geborener Herrscher. Sein mangelndes Selbstwertgefühl wittert in jedem Vielleicht einen Angriff. Selbst ein Ja macht ihn misstrauisch. Seine eigenen Zweifel sieht er in jedem Gegenüber gespiegelt. Hält so jemand erst die Macht über andere in den Händen, wird er sie gnadenlos ausnützen. Dieser Macbeth braucht keine Lady, die ihm etwas einflüstert. Er braucht eigentlich nicht einmal die Hexen, die ihn antreiben. In Gestalt eines unschuldig wirkenden Mädchenchores mit weißen Blusen und schwarzen Röcken unter der Regie ihrer Lehrerinnen (Angelika Richter, Kate Strong ) kommt dieser aber so auf Augenhöhe daher, dass er diesen unreifen Macbeth vor sich hertreiben kann. Doch vielleicht ist alles auch nur sein Hirngespinst? Vielleicht toben selbst diese Girls nur in seinem überspannten verwirrten Kopf herum?
Man mag sich an diesem Abend am Schauspielhaus in mancherlei Hinsicht an "Richard the Kid & the King" erinnert fühlen, der Erfolginszenierung von Karin Henkel. Auch hier eine witzige Mischung aus Deutsch und Englisch, auch hier im Mittelpunkt ein einsamer Charakter, der zu morden beginnt. Auch hier eine Schar an manipulierenden Vertretern der Gesellschaft um ihn herum. Doch etwas ist hier anders: Auch wenn Kristof Van Boven ein genau so intensiver Ausnahmeschauspieler ist wie Lina Beckmann, nimmt Macbeth nicht so gefangen wie Richard. Denn bei diesem Macbeth gibt es keine Entwicklung, keine psychologische Erklärung, keine Hintergrundsstudie zu seinem Tun. Hier schauen wir einem mickrigen schwachen Mann beim haltlosen Morden zu, aber wir wissen leider nicht warum. Über seine Beweggründe erfahren wir nichts. Es gibt keine Entwicklung, keine Fallhöhe. Ertappte man sich bei King Richard dabei, mit dieser mordenden Bestie auf der Bühne irgendwann Mitleid zu haben, weil sie so eine schwere Kindheit gehabt hat, bleibt uns dies bei Macbeth verwehrt. Ist er eher ein Zerrbild der toxischen Männlichkeit, die an dem eigenen Idealbild zugrunde geht? Henkel scheint die Substanzlosigkeit ihres Macbeth ohne seine ihn antreibende Lady auch aufgefallen zu sein und so baut sie etliche Slapstickszenen mit ein, die die fast dreistündige Aufführung unterhaltsamer machen. Etwa wenn der Leibwächter (Jan-Peter Kampwirth ) vergeblich minutenlang die Tür auf der leeren schwarzen Bühne sucht, an der es die ganze Zeit klopft. Oder wenn sich Macbeth verzweifelt das Blut abwaschen will und dabei immer wieder in die überall verteilt stehenden Eimer mit neuer Blutfarbe tritt. Oder wenn einzelne kesse Mädchen aus dem Chor ihre frechen Späße mit Macbeth treiben.
Am Ende ist das Publikum im ausverkauften Schauspielhaus dennoch sichtlich angetan und spendet viel Applaus für das tolle Ensemble und das effektreiche Bastel-Bühnenbild, das seine papierleichten Wald-Girlanden mit Hilfe des schweren Hebegestänges der Bühnentechnik eindrucksvoll aus- und wieder einfalten kann. Denn es sind eher die kleinen und größeren Einzelleistungen als der große überzeugende Neu-Ansatz, der diesen Abend dann doch zu einem sehenswerten macht.
Birgit Schmalmack vom 13.12.22
Abbildung: Macbeth, DSH - © Lalo Jodlbauer
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