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Ringen um die eigene Identität
Herta Müller sammelt Wörter. Sie schneidet sie aus Zeitschriften aus und hortet sie in Schubladen. Sie werden zu ihrem Material für Gedichte, die sie auf Karten klebt. Was ursprünglich nur nicht vorhandene Postkarten für Freunde ersetzen sollte, hat die Nobelpreisträgerin zu einer eigenen Kunstform entwickelt. In ihrem Band „Im Heimweh ist ein blauer Saal“ sind die Wortgedichte nun zu bewundern.
"Land wie eine dünne Brotscheibe ich sollte fort von hier und bleibe Zeit ist ein spitzer Kreis ich weiß"
Wenn Herta Müller sie live vorliest, werden sie lebendig. Dann werden die Schnipsel, die ohne Absätze und Interpunktion aufgeklebt sind, zu kleinen Kunstwerken.
Doch beim Abend mit Herta Müller im Schauspielhaus stand nicht die Lesung der Gedichte oder aus ihrem Interviewband „Mein Vaterland war ein Apfelkern“ im Mittelpunkt, sondern das Gespräch mit Herta Müller. Von ihrem langjährigen Freund und Übersetzer Ernest Wichner befragt, erzählte sie gerne von ihrer Kindheit und ihrem Leben als Schriftstellerin. Erst die Welt des Lesens und Schreibens ermöglichte ihr ein selbst bestimmtes Lebens, das die Grenze den engen Dorfes im rumänisches Banat weitete. Erst die Welt der Buchstaben und Wörter gab ihr die Freiheit des Denkens, Ordnens, Reflektierens und Gestaltens. Hatte sie in ihrem Dorf nur die Welt der Pflanzen, weitete sich ihr Horizont spürbar mit der Entdeckung und Benutzung der Sprache. In ihr konnte sie sich finden und erfinden. Die Zuschauer/Innen erlebten eine Künstlerin, die sich nicht hinter ihrem Werk versteckt. Sie ist eine Frau, die genau weiß, woher sie stammt. Über die intellektuelle und persönliche Herausforderung der eigenen Identitätserkundung weiß sie eine Menge zu erzählen.
Birgit Schmalmack vom 25.2.20
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