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Wenn Utopien auf die Realität treffen
Die Zukunft selbst in die Hand nehmen. Dann haben sich die Initiatoren des Balkony Projektes vorgenommen. Am Samstag, den 10.11.18 haben sie 100 Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkrieges die Europäische Republik ausgerufen. Das "European Balcony Project" ist eine Idee der Politikwissenschaftlerin Ulrike Guérot und des Schriftstellers Robert Menasse und wird als ein Projekt vom Thinktank "European Democracy Lab e.V." umgesetzt, der durch Spenden von BürgerInnen im Rahmen einer Crowdfunding-Aktion ermöglicht wurde. Dazu veranstaltete das Schauspielhaus mehrere Diskussionsabende. Am Donnerstag, den 8.11. sprachen der Soziologe Prof. Armin Nassehi, der Europa- und Völkerrechtler Andreas von Arnauld sowie die Europawissenschaftlerin Marie Rosenkranz unter der Moderation von Catarina Felixmüller miteinander. Rosenkranz vertrat neben den beiden hochkarätigen Wissenschaftlerin die Projektidee. Dazu stellte sie zunächst ein paar zentrale Thesen des zu verlesenden Manifestes vor. Die hatten es in sich. "Wir erklären alle, die sich in diesem Augenblick in Europa befinden, zu Bürgerinnen und Bürgern der europäischen Republik. ...Der Binnenmarkt konnte zur leichten Beute einer neoliberalen Agenda werden, die der Idee der sozialen Gerechtigkeit widerspricht..... Das Europa der Nationalstaaten ist gescheitert.... An die Stelle der Souveränität der Staaten tritt hiermit die Souveränität der Bürgerinnen und Bürger.... Das Europäische Parlament hat gesetzgeberische Gewalt. Es wählt eine europäische Regierung.... Es lebe die Europäische Republik!"
Nassehi stellte dazu viele intelligente Fragen. Die Gleichheit der Mitglieder sei theoretisch unstrittig, aber wie könne die Ungleichheit der Ökonomie abgewendet werden? Eine Republik ausrufen, aber gegen wen? Arnauld beleuchtete dagegen die bestehenden rechtlichen Grundlagen, die schon jetzt in der EU gelten. Eine Bürgerschaft generiere einen rechtlichen Staus der Zugehörigkeit. Eine Unionsbürgerschaft bestehe in Teilen schon jetzt. Sie stehe nicht im Gegensatz zur Staatsbürgerschaft, denn viele Zugehörigkeiten seien parallel möglich. Beide stellten fest, dass die EU aber letztendlich (immer noch) ein wirtschaftliches Integrationsprojekt sei. Die Teilhabe der Bürger war lange nicht gefragt. Insofern sei ihr Interesse an Europa mittlerweile erlahmt.
Während der Diskussion verwischten sich die Unterschiede zwischen der Idee einer Europäischen Republik und der Konzeption der EU. Die künstlerische Intervention des Projektes, die als Provokation und Denkanstoß gedacht war, wurde zum politischen Vorhaben, das nun durch die Mühlen des Gesetzes gedreht wurde. Die Thesen des Manifestes gerieten immer mehr in die Hintergrund. So wurde der Abend eher zu einer Werbung für die bestehende EU als zum Aufruf zum Denken einer Utopie und zu einer grundlegenden Veränderung des bisher Erreichten.
Birgit Schmalmack vom 15.11.18
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