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Am Königsweg, Schauspielhaus

Am Königsweg, Schauspielhaus



Der weiße dumme Mann wird König

Nicht nur der Seher ist blind sondern auch das Volk. Mit Augenbinden, deren Höhlen sich blutig abzeichnen, sitzen sie am Tisch und versuchen Worte für die unerklärliche Situation in ihrem Land zu finden. Doch es gibt keine verstandesmäßigen Erklärungen mehr, es geht nicht mehr um die intellektuelle Auseinandersetzung. Dass wird spätestens klar, wenn der neue König sich mit etlichen Plüsch, Kitsch und Prunk im KIK-Style in Szene setzen will und seinen Auftritt vorbereitet, Er wirft sich in die dicken Kissen, er schreit, er wütet, er singt Musicalsongs, er benimmt sich wie ein trotziges Kleinkind.
Als die Comedienne Elif in glitzerndem Jogginganzug die Bühne betritt, blickt sie in lauter Brillen, für sie ein klares Zeichen für ein Bildungsbürgertum, das unter sich bleibt. Wem soll hier Aufklärung gepredigt werden? Doch was ist Abitur anderes als Googeln? So hat Siggi.com Elif geholfen die Deutschen, die sie liebevoll „meine Süßkartoffeln“ nennt, zu verstehen. Der Migrant sei alles, was die Deutschen nicht sein wollen. Alles ist Projektion.. Die Berliner Comedienne hat Regisseur Falk Richter ins Wortkaskaden erbrechenden Stück von Elfriede Jelinek geschmuggelt. Elif hält den Deutschen den Spiegel vor und unterläuft damit geschickt den Jelinek Text. Nicht weniger klug, nicht weniger wortgewandt und dafür umso witziger, nicht weniger erhellend, dafür weniger dialektisch.
Durch den guten Siegmund Freud lässt sich nämlich nach Jelinek auch das Problem der Gewalt erklären. Auch dies nur eine Projektion. Indem die Gewalt immer den anderen, den Fremden zugeschrieben wird, steht man selbst als friedliebend da. Doch Gewalt ist ein nicht zu negierenden Teil des Menschen, nur die Form ändert sich.
Der Chor hat derweil ergründet: Der König habe es geschafft die Abgehängten wieder an die Masse anzukoppeln, indem er ihnen weiß machen konnte, dass er einer sei, der ihnen wieder zu alter Größe verhelfen könne. Er hat ihnen eine Stimme gegeben. Leider nur eine einzige. „I am looking for a hero“, ist der Song zur Zeit.. Der weiße Mann umwirbt die vergessene Arbeiterklasse. Das Einfache hat jetzt die Macht. Die Intellektuellen labern noch am Rande, doch sie haben kein Gewicht mehr. Vielleicht hatten sie nie eines, denn wie hätte sonst ein so dummer, fetter, blinder König gewählt werden können. Auch wenn das Volk der Arbeiterklasse genauso blind ist wie er selbst? Aufklärung ist hier nicht mehr gefragt. Die Brillenträger mögen reden und reden, ihnen hört keiner mehr zu. Lieber fällt die Mehrheit auf die vordergründige Inszenierung des Königs herein, mag sie auch noch so kindisch, egozentrisch und impulsiv sein. Was wird geschehen, wenn klar wird, dass die König die Hoffnung die die Mehrheit in ihn gesetzt hat, nicht erfüllen wird? Was machen Menschen, die dann viel Zeit haben und sich noch wertloser fühlen?
Falk Richter lässt nichts aus, um Jelinek Wortgespinste im „Am Königsweg“ auch über dreieinhalb Stunden auf keinen Fall langweilig werden zu lassen. Er lässt die mäandernden Wortschleifen der Nobelpreisträgerin nie nur für sich sprechen sondern, bebildert sie so ausgiebig, als wolle es gegen jedes Wortgebilde ein sichtbares aus Projektionen, Figuren, Fotos, Filmen, Verkleidungen, Requisiten stellen. Da treten die beiden Alten aus der Muppetshow mit schwäbischen Buchhalterakzent auf, da schaukelt Kermit der Frosch vom Kronleuchter, da demonstrieren die Schauspieler als Ku-Klux-Klan-Vertreter, wie die Haltung der Amerikaner zu interpretieren ist, da wird eine Szene als Kasperltheater in einer der Logen gegeben, da tragen die Darsteller lauter Kreuze für ihren neuen Kreuzzug herein.
So schafft er es tatsächlich dem Stück einen Unterhaltungs- und Aufmerksamkeitswert zu geben, der über den Text hinausgeht. Seine Inszenierung ist zwar ein Großangriff auf alle Sinne, aber am Schluss der Aufführung haben es viele Bilder und Gedanken trotz der Reizüberflutung geschafft im Kopf hängen zu bleiben.
Birgit Schmalmack vom 28.3.18

Abbildung: Am Königsweg im DSH - © Arno Declair

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