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Eigengrau, Sprechwerk
Der alte Mann und ein Meer, HfMT
Zu Schad, Tonali
A PLACE CALLED HOME, Kampnagel
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Der eigene Tod, DSH
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Leben heißt Abschied
Engel sind für Rilke keine Friedensboten sondern Vorboten des Verlustes. Für ihn heißt Leben Verschwinden. So hat er in seinen 10 Elegien, die nach ihrem ersten Entstehungsort "Duineser Elegien" heißen, in einem assoziativen Gedankenstrom Klagen über dieses andauernde Verlieren verfasst. Dass sie in die Zeit kurz vor dem Ersten Weltkrieg und danach entstanden sind, verwundert da nicht. Das Schauspielerpaar Franziska Walser und Edgar Selge hat diese Elegien auf die Bühne gebracht. Sie tragen sie abwechselnd in freier Rezitation vor. Während der eine die Elegie vorträgt, sitzt der andere in Rilkes Gedichtband vertieft daneben. Vor jeder nächsten Elegie überreichen sie sich mit einem kurzen Händedruck das Buch.
In den zehn Klageliedern hat Rilke dem Los des Menschen nachgespürt, dass ihm dazu verdammt von seiner Stunde der Geburt bis zu seinem Tod dem ständigen Loslassen anheim gegeben zu sein. Nichts kann er festhalten, immer muss er mit dem Verlust rechnen. In Sekunden des Glücks ersehnt er sich den Hauch des Ewigen, um sogleich festzustellen, dass dieses Glück nur der Vorbote des Verlustes ist. Der schwindende Mensch kann nur darauf hoffen, einmal im Leben etwas zu erschaffen, das länger bleibt als er selbst. Nur die Tiere kennen diese Tragik des Endliches nicht, denn sie haben kein Bewusstsein vom Tod. In der letzten Elegie versucht Rilke den Schmerzen als Sternen im Leidland zu folgen, um wenigstens mit einer Rührung schließen zu können, wenn etwas Glückliches fällt.
Walser und Selge interpretieren die Elegien auf sehr unterschiedliche Weise. Sie setzt mit ihrer warmen Stimme natürliche Akzente im Gedankenfluss und nimmt so ihre Zuhörer als Gegenüber mit auf die philosophische Reise. Selge dagegen theatralisiert die Texte eher, hebt und senkt seine Stimme und nutzt oft Gestik um Ausrufezeichen zu setzen. Gerade in dieser Abwechselung liegt ein Reiz des Rezitationsabends, der aber dennoch schwere poetische Kost bleibt. Denn er kam ohne weitere Hilfsmittel aus. Keine weiteren Bühnenmittel wie Musik, Bewegung oder Bilder kamen zum Einsatz, nur die gesprochene Sprache. Ob der Rahmen des Hamburger Theaterfestivals und der Aufführungsort eines fast voll besetzten Schauspielhauses dafür passend waren, das Verständnis dieser Texte zu erhöhen, darf bezweifelt werden. An einem intimeren Ort und ohne das Label Theater hätte sich der Charme und die Persönlichkeit der beiden hervorragenden Rezitatoren sicher noch besser entfalten können.
Birgit Schmalmack vom 8.10.16
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