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Wir sind so dankbar
Den Deutschen geht es gut, seitdem die Regierung das Glück als oberstes Ziel verordnet hat. Verbote gibt es keine mehr, nur noch Belohnungen für absolutes Wohlverhalten. Nur das Vernünftige und Gesunde mache glücklich. Handys, Plastik, Einfuhrnahrung gibt es in dieser Welt nicht mehr. Die Deutschen besinnen sich auf ihr Deutschtum, auf ihre Heimat, auf ihre regionalen Nahrungsmittel, auf ihre Tugenden, auf die Familie und sind glücklich. Alle ausländischen Einflüsse sind außer Landes gebracht und man lebt in Holz und Leinen.
Die Vorbildfamilie aus Vater (Konstantin Graudus), Mutter (Rabea Lübbe), Sohn (Dominik Bliefert) und Tochter (Meike Anna Stock) hat sich nun bereit erklärt einem unterentwickelten Chinesen ein wenig Nachhilfe in Sachen Volksglück zu geben. Während sie zur Begrüßung ein Heimatlied vierstimmig intoniert, revanchiert sich der Besuch, der sich im Übrigen als junges fesches Mädchen herausstellt, mit einem perfekt choreographierten Popsong. Die junge wohl erzogene Frau durchschaut schnell die Fassade des Glücks und kratzt kräftig an der allzu glatten Oberfläche. Die Familie fürchtet um ihre mühsam errichtete Ordnung und versucht den Störenfried zu eliminieren, bevor ihr Kartenhaus in sich zusammenstürzt.
Das grandiose Bühnenbild von Telse Hand besteht aus einem riesigen hölzernen Familientisch, unter dem alles verstaut werden kann, was nicht ins Bild passt, so auch der Besuch aus China.
Wieder einmal ist dem Theater Kontraste mit diesem noch unbekannten Stoff von Benjamin Lauterbach ein Coup gelungen. Es legt wieder einmal den Finger in die Wunde der Zeitgeschichte. In Zeiten von Diskussionen der AfD Deutschland den Deutschen wieder zurückzugeben, führt es schonungslos die Konsequenzen vor Augen. Unter Regisseur Murat Yeginer zeigt das insgesamt perfekt besetzte Ensemble die Ich-Bezogenheit, die Intoleranz und die Rückwärtsgewandtheit eines Landes, das sich mit Zäunen gegen die "schwarzen Nacktschnecken" schützen will. Auch die Ökoverklemmtheit, die Technikangst, die Regelungswut und der Obrigkeitsglaube der Deutschen kriegen nebbenbei ihr Fett ab.
Doch Yeginer führt nicht einfach Stereotypen von Menschen vor. Er zeigt nicht etwa die unsympathischen Deutschen, ganz im Gegenteil: Das Bemühen dieser Familie um Ordnung, Glück und Liebe wirkt nie ausgestellt, ihr Verhalten erscheint stets logisch und nachvollziehbar. Und die Chinesin, gespielt von der hervorragenden Yvonne Yung Hee Bormann, ist intelligent, aufgeschlossen, gebildet, neugierig und sensibel.
Ein Stück, das mit Witz zum Nachdenken anzuregen versteht.
Birgit Schmalmack vom 24.8.16
godot-hamburg |
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