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300el x 50el x 30el, Thalia

FC Bergman „300 el x 50 el x 30 el“, Lessingtage

Ewiger Kreislauf

Heruntergekommene Hütten stehen um einen kleinen Dorfplatz. Ein Angler sitzt unbeweglich am Dorfteich. Fische wird er nicht fangen. Nur einmal kommt Bewegung in ihn: Er zieht ein totes Schaf aus dem Teich. Minutenlang tropft das aufgehängte triefende Opfertier auf die Bühne.
Nach außen herrscht Ruhe, sogar Totenstille. Leben, arbeiten hier Menschen? Außer dem Angler ist nichts zu sehen. Doch hinter den Hüttenwänden, deren Türen und Fenster verschlossen sind, sieht das anders aus. Der Kameramann, der von seinem Team auf einer Kreisbahn herum geschoben wird, kann in die Hütten blicken und das Entdeckte auf die große Leinwand projizieren. Hinter den Kulissen ist das dörfliche Leben keineswegs so friedlich, wie es nach außen hin scheint. Hier zeigen sich die Begierden der Menschen ungeschminkt. In der einen Hütte quält ein Junge eingesperrte Tauben. In der nächsten schaufelt eine Frau sich Essen gierig in sich hinein, während ihre Familie nur zugucken und sie bedienen darf. In der dritten treibt eine junge Frau ihr uneheliches Kind in der Badewanne ab. In der vierten masturbiert ein Mann ungeniert, während seine Frau auf der Toilette eine Muschel heraus befördert. In der fünften treibt eine Männerrunde ihre betrunkenen Späße so weit, dass sie einen Kumpel fast tödlich verletzten. In der letzten simuliert der Liebhaber der jungen Frau immer wieder, wie er das Dorf abfackelt. Hinter der Fassade verbirgt sich das Böse.
Kommunikation gibt es in diesem Dorf nicht. Alles geschieht wortlos. Zu eingespielt sind die Rituale. Auch für den Sex gibt es einen verabredeten Zeitpunkt. Als die Erkennungsmelodie ertönt, springen alle Paare aufeinander los. Auch das junge Liebespaar unternimmt im Wald einen Versuch der Paarung. Doch plötzlich umwinden Schlangen den Kopf des Liebhabers und die Frau sucht angewidert das Weite. So misslingt auch der folgende Fluchtversuch der Zwei. Sie geht zwar zum Schein mit, denunziert ihn aber im letzten Moment bei den anderen. Die Reaktion des Dorfes ist unmissverständlich: Seine Tür wird vernagelt. Hier kommt keiner raus! Nichts darf sich in unserem Dorf ändern.
Nach seinem Selbstmord sind die Zuschauer Zeuge eines weiteren Rituals: Minutenlang stecken alle den Kopf in einen Wassereimer. Das Reinigungsritual geht über in einen spirituellen Tanz, den alle synchron ausführen. Das bedarf keines Abstimmungsblickes. Alle wissen, was sie zu tun haben. Kurz vor Ende wird klar: Diese Gesellschaft umfasst nicht nur ein kleines Dorf. Plötzlich strömen viele weiteren Menschen auf die Bühne und reihen sich in die Tanzgemeinde ein. Wahrscheinlich werden sie danach beruhigt und gereinigt wieder in ihre Hütten zurückkehren und das Ganze kann wieder von vorne beginnen. Der Lauf des Dorflebens kann sich wieder wie gewohnt bis in alle Ewigkeit abspielen.
FC Bergmann spielt mit so unterschiedlichen Mitteln wie Slapstick, Horror, Ingmar Bergmannfilmen und Historiengemälden und vereinigt sie zu einer Performance, die zu ungläubigem Kopfschütteln, blankem Entsetzen, beklemmender Beunruhigung, unfreiwilligem Lachen und irritiertem Nachdenken herausfordert. Ein Abend, der zwar keine Begeisterung hervorruft, aber kaum jemanden ungerührt gehen lässt.

Birgit Schmalmack vom 1.2.16

Abbildung: 300el x 50el x 30el - von FC Bergmann

Zur Kritik von

Tanzquartier Wien
WA
Der Westen

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