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Allgemein:
Spiegelneuronen, Kampnagel
KEIN SCHÖNER SCHLAND, Hf MT
IM CABARET, AU CABARET, TO CABARET, HfMT
Eigengrau, Sprechwerk
Der alte Mann und ein Meer, HfMT
Zu Schad, Tonali
A PLACE CALLED HOME, Kampnagel
Ocean cage, Kampnagel
Der eigene Tod, DSH
Gesetze schreddern, Malersaal
Verwirrung erzeugen
Die Abschlussinszenierung "Stop being poor" der sechs Absolventen der Norwegischen Theaterakademie Fredrikstad wurde von der fünfköpfigen Jury zum diesjährigen Sieger erklärt.
Gleich das erste Stück zur Eröffnung des diesjährigen Körber Studio Junge Regie im Thalia in der Gaußstraße erfüllte das von Frau Professor Dhein vorangestellte Motto von Frau Professor Dhein - Verwirrung für Verwirrte zu erzeugen und Möglichkeitsräume aufscheinen zu lassen - aufs Beste. Die Akademie für Darstellende Kunst Baden-Württemberg zeigte einen „Volksfeind“, der gezielt mit dem Mittel der Irreführung arbeitete. Die Figuren traten zunächst als ferngesteuerte Marionetten der Gesellschaft in ihren durch orthopädische Zutaten zu Schutzpanzern aufgerüsteten Kleidern auf. Ihre Charakterisierung sein klar: Die Überkorrekte, der Gebrochene, der Aufklärer und die Unterwürfige. Eine Narzisstenshow. Jeder Satz eine Kampfansage an den Anderen. Jeder will selbst gut dastehen. Das gilt auch für den Arzt Stockmann, der angeblich nur das Gemeinwohl im Blick hat. Er will ein Held der Stadt sein. Siegesgewiss reckt er die Arme in den Himmel.
Er hat entdeckt, dass das Wasser der Stadt, die seine Schwester, die Bürgermeisterin, gerade zum Kurbad aufwerten will, verseucht ist. Zunächst stehen sie noch zu dritt da. Seine überaus stolze Ehefrau und der Lokaljournalist, der so gerne die Verhältnisse aufrütteln würde. Als alle erkennen, wie viel für die Stadt auf dem Spiel steht, will plötzlich keiner diese Wahrheit mehr hören. Also wird Stockmann zum Volksfeind erklärt.
Er steht ganz alleine auf der Zuschauertreppe, jetzt ganz ein Mensch von heute. Die Halskrause ist verschwunden, er ist ganz bei sich angekommen. Doch sein Appell, den er an die Zuschauer richtet, klingt so gar nicht nach einem Helden. Immer mehr steigert er sich in sein Exklusivrecht auf den Besitz der Wahrheit hinein. Es gäbe eben Pudelmenschen und Kötermenschen. Die Mehrheit sei immer dumm, also müsse eine Elite entscheiden. Mehr und mehr offenbart er sein faschistoides Gedankengebäude. Jungregisseur Sören Hornung lockt mit seinem spielstarken Ensemble bewusst auf falsche Fährten, sorgt mit plötzlichen Wendungen für Überraschungen und endet mit aufrüttelnden Fragen. Ein vielversprechender Auftakt.
Woran man einen Juden erkennen kann. Eine Untersuchung
Aus Berlin war eine Untersuchung des jüdischen Körpers unter dem Titel „Woran man einen Juden erkennt“ zu sehen. Regisseur Noam Brusilovsky von der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch hatte mit seinem Team aus sechs jüdischen Schauspielern dazu verschiedene Texte benutzt: Der Mythos des Golems, die Erzählung „Der operierte Jude“, Auszüge aus einem deutschen Kinderbuch der dreißiger Jahre. Die Inszenierung bewegt sich leider zu unentschlossen zwischen Aufklärungstheater, therapeutischem Rollenspiel und Penis-Puppentheater, zwischen Pathos und Überzeichnung, zwischen Ernsthaftigkeit und Klamauk, um auch für ihr Publikum die Ergebnisse ihrer Untersuchung deutlich werden zu lassen.
Ulrike Maria Stuart
Der Tower ist eine aufblasbare Hüpfburg, auf die die Idole in übercolorierten Bildern gebeamt werden können. Die „Königin“ Gudrun ist mit ihrem langen Blondhaar zu sehen, ebenso wie ihre dunkle Konkurrentin Ulrike. Dazwischen stehen die Prinzen, die verlassenen Kinder der Ulrike. Ihre Mama hatte sich für den Terror-Kampf entschieden und sitzt nun im Knast. Die Dreiecksgeschichte zwischen Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Ulrike Meinhof hat Elfriede Jelinek in ihrem Stück „Ulrike Maria Stuart“ in Beziehung zu den Machtkämpfen von Maria Stuart und Elisabeth gesetzt. Leider erwiesen sich die Jelinekschen Wortschleifen für einige der Schauspieler als Überforderung und so gerieten die Textflächen trotz all der popigen Umgebung und der interessanten Regieansätze von Pia Richter von der Münchner Otto-Falckenberg-Schule zu Wüsten, in denen sie zeitweise die Richtung verloren.
2,7 D Wir gehen in die Berge um zu schweigen und zeichnen Karten um uns zu verirren
Wie kann man auf der Bühne das Fehlen von Kommunikation und das Verstreichen der Zeit zeigen? Das versucht Simon Möllendorf in seiner Stückentwicklung „2,7 D Wir gehen in die Berge um zu schweigen und zeichnen Karten um uns zu verirren“ von der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt am Main. Das Ansinnen, auf der Bühne zu präsentieren, wie die Zeit vergeht, ist schon schwer genug. Doch wenn man sich vorgenommen hat, dies fast ohne Worte und ohne Handlung zu machen, wird die vergangene Zeit zu einer Erfahrung der verlorenen Zeit, die allerhöchstens zur Meditations- und Geduldsübung an einem hektischen Festivaltag am Ende genutzt werden konnte. Möllendorfs Hintergrund, die Arbeit von Fernand Deligny mit Autisten in einer französischen Bergregion zu zeigen, denen der Verzicht auf Kommunikation neue Möglichkeiten des Miteinanders eröffnet, kann dem unvorbereiteten Zuschauer nicht deutlich werden.
Die weiße Wüste
Am großen Kuchen des Lebens sich satt essen. Die prallen Möglichkeiten, die einem jungen Menschen offen stehen, voll auskosten, das ist der Plan. Doch was wenn bei all der Freiheit nichts passen will? Wenn die große Auswahl lähmt statt beflügelt? Dann kann sich das Gefühle der großen unendlichen weißen Wüste ausbreiten. Dann stehen Beine gegen Stimme, Verstand gegen Emotion, Depression gegen Zweckoptimismus. Dann stehen sich
Funny Bunny und Elliot auf ihrer Lebenstorte gegenüber. Der eine groß, hager, verkrampft und mit Tapes am ganzen Körper in Form gehalten, die andere süß, mit Petticoatröckchen und flauschigen Hasen-Ohren, stets ein Lachen im Gesicht, wenn sie nicht gerade eine Schnute zieht, weil Elliott mal wieder seiner ewigen Litaneien abspult. Können wir es nicht einfach mal schön haben und die Klappe halten? Regisseurin Annalena Maas von der Bayerischen Theaterakademie August Everding machte den Text von Laura Schubert mit ihrem Superteam zu einem eindrücklichen Seelentrip einer Selbstoptimierungsgeneration, der man erzählt hat, dass sie nur wollen muss, um alles zu erreichen zu können, und dennoch scheitert.
Societe des Amis - Tindermatch im Oderbruch
Fünf Freunde sollt ihr sein. Was Enid Blyton schon als Motto ausgab, soll auch für die Fünf, die in den Oderbrauch aufbrechen, gelten. Ein Selbstversuch soll zeigen, ob ihre Erwartungen erfüllt werden. Mit schweren Rücksäcken ziehen sie los. Blütenkränze winden sie sich ins Haar. Viel wollen sie über sich selbst und die anderen herausfinden. Zur Selbsterkenntnis sind überall Spiegel in Form von Dreiecken und Kreisen aufgestellt. Doch sie bringen nicht nur Erwünschtes zu Tage. Auch unerfüllte Sehnsüchte, Egoismen Cliquenwirtschaft und unerwiderte Liebesgefühle offenbaren sich. Der hoch gehaltene Gemeinschaftsgeist erweist sich als brüchiger als gedacht.
Der Regisseur Jan Koslowski und die künstlerische Leiterin Nele Stuhler von der Zürcher Hochschule der Künste erweisen sich als Meister der ironisch gebrochenen, klug arrangierten und hintergründig inszenierten Studie über die Vorder-, Unter und Abgründe der Freundschaft in Zeiten von Facebook, Tinder und Snapshot.
Birgit Schmalmack vom 16.6.15
Abbildung: Körber Studio Junge Regie - 2015
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